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Wir leben im Schlaraffenland – oder? Trotz derzeitiger Mehl- und Öl-Knappheit sind Lebensmittel für uns in Deutschland doch jederzeit verfügbar. Der Haken an der Sache: Viele der angebotenen Produkte haben viele Kalorien und sind stark verarbeitet. Das war in früheren Zeiten anders – nicht immer gab es genug zu essen, und viele Lebensmittel lieferten nicht so viel Energie (also Kalorien) wie heute. Dafür waren nur wenige Leute übergewichtig, Typ-2-Diabetes hatte kaum jemand. Und nun? Sollten wir durch zeitweiliges Fasten das Leben unserer Vorfahren imitieren?
Zeitweiliges/intermittierendes Fasten – das war eines der Themen einer Vorab-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft im Vorfeld des Diabetes Kongresses. Professor Dr. rer. nat. Stephan Herzig, Direktor des Helmholtz Diabetes Centers München, stellte den aktuellen wissenschaftlichen Stand vor und erklärte, welche positiven Effekte freiwillige Fasten haben kann und was das für unsere Ernährung bedeutet. Das Fazit schon einmal vorweg: Fasten kann Adipositas und Typ-2-Diabetes sowie den Stoffwechsel verbessern.
Die Entstehung von Adipositas und Typ-2-Diabetes hat vielerlei Ursachen. Eine große Rolle spielen Über- und Fehlernährung. Hochkalorische Lebensmittel sind in Deutschland für die meisten Bürgerinnen und Bürger jederzeit verfügbar. Stark verarbeitete Fertigmahlzeiten sind häufig sogar billiger als frische Produkte wie Gemüse oder Obst. In früheren Zeiten hingegen mussten Menschen damit zurechtkommen, dass Nahrung manchmal nur unregelmäßig verfügbar war und eine geringere Energiedichte hatte.
Hungerperioden waren üblich, so dass der Körper darauf ausgelegt war und immer noch ist, Energie aus der Nahrung möglichst effizient zu speichern. Fasten-Therapien, wie etwa das Intervallfasten, machen sich dies zunutze. Sie basieren auf freiwilligen Hungerperioden und können so unter anderem Adipositas und Typ-2-Diabetes Typ 2 vorbeugen oder bei bereits bestehenden Erkrankungen den Stoffwechsel verbessern.
Während Fastenperioden muss der Körper seinen Stoffwechsel umstellen, um Schaden zu vermeiden. Typischerweise stellt er dann von Zucker- auf Fettverbrennung um. Dieser Fettabbau begünstigt den Aufbau bestimmter Energieträger, die zum Beispiel für die Energieversorgung des Gehirns Verwendung finden. „Unter dem Einfluss bestimmter Hungerhormone wie Glukagon oder Kortisol nutzt der Körper den Fettabbau und bei sehr langem Hungern auch den Eiweißabbau, um die Zuckerproduktion in der Leber anzukurbeln“, sagt Professor Herzig. „Zudem werden auch sogenannte Ketonkörper in der Leber gebildet, die dann zum Beispiel vom Gehirn als Energielieferant benutzt werden können“, erklärt der Molekularbiologe.
In den letzten Jahren wurden eine Reihe von molekularen Schaltern gefunden, welche die Hungerantwort in einzelnen Organen kontrollieren, zum Beispiel den Fettstoffwechsel oder die Zuckerproduktion der Leber. „Manipulieren wir diese Schalter entsprechend, ist es möglich, bei Typ-2-Diabetes den Stoffwechsel zu verbessern“, erklärt Herzig. Somit könne freiwilliges Fasten für viele Menschen je nach individueller Verfassung gesundheitsfördernd sein. Dennoch führe es nicht zwangsläufig immer zu einem Gewichtsabbau, betont der Experte: „In jedem Fall zeigen sich aber positive Effekte wie eine Blutdrucksenkung und eine Verbesserung der Glukose- und Blutfettwerte.“
Wichtig zu wissen: Diese positiven Effekte, so Herzig, halten nur so lange an, so lange auch gefastet/intervallgefastet wird. Man könne es zwar z. B. durchaus auch mal am Wochenende einmal anders handhaben – müsse dann aber danach wieder in den Fasten-Rhythmus einsteigen. “Man hat die positiven Effekte, wenn man es tut, und wenn man es nicht tut, verliert man die positiven Effekte auch wieder.” Sein Tipp deshalb: Wer intervallfasten möchte, sollte eine Variante wählen, die in den Alltag passt und die persönliche Lebensqualität nicht beeinträchtigt. Und Menschen mit Diabetes und einer Insulintherapie müssen ihre Insulindosis an den Fastenplan anpassen. Das kann auch für andere Medikamente gelten.
Eine neue klinische Studie des Universitätsklinikums Heidelberg und des Helmholtz Diabetes Centers München belegte, dass Hungerperioden bei existierenden Langzeitschäden des Diabetes sogar therapeutisch wirken können, zum Beispiel über eine Verbesserung der Nierenfunktion bei diabetischer Nephropathie.
„Auch das Immunsystem spielt eine wichtige Rolle bei den positiven Effekten des Fastens, wie wir vor Kurzem am Helmholtz Diabetes Center München herausgefunden haben“, erläutert Herzig. So kommunizieren Leberzellen und Immunzellen während Fastenperioden miteinander. Während Immunreaktionen seit Langem als krankheitsfördernde (pathogene) Mechanismen bei Diabetes und Übergewicht bekannt sind, sei dies ein erstes Beispiel, wie Immunreaktionen in einem gesunden Zustand notwendig sind, um eine gesunde Hungerantwort auszulösen. „Immunzellen sind also in der Lage, die Wirkung des Fastens auf unseren Stoffwechsel direkt zu beeinflussen.“ Zusammen mit aktuellen Studien würden diese Befunde jetzt genutzt, um neue wirksame Therapien auf der Basis von Fasten zu entwickeln.
Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft | Redaktion
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