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Ein Abszess ist eine Eiteransammlung – und nicht sehr angenehm. Wie ein Abszess entsteht, wie er behandelt wird und was das alles mit Diabetes zu tun hat, erklären Dr. Martin Holder und Dipl.-Psych. Béla Bartus.
Plötzlich schmerzt es am Popo, im Stehen, im Sitzen oder beim Gehen. Auch an anderen Hautstellen kann es unvermittelt losgehen. Die betroffene Stelle reagiert äußerst empfindlich auf Druck, ist gerötet, überwärmt, angeschwollen und pocht. Das klingt nach einer Entzündung und möglicherweise nach einem Abszess (Eiteransammlung), der typischerweise mit solchen Symptomen auftritt.
Ein Abszess ist eine lokal begrenzte Ansammlung von Eiter in einem neu gebildeten Hohlraum im Gewebe. Eiter entsteht unter anderem aus Immunzellen und Bakterien und als Reaktion auf Krankheitserreger, die in den Körper eingedrungen sind und sich vermehren. Durch das körpereigene Immunsystem, das die Erreger bekämpft, wird eine Entzündungsreaktion ausgelöst. Dabei wird Eiter aus abgestorbenen Zellteilen (“Zellmüll”) und Abwehrzellen gebildet. Kommt es dabei zu einem neuen Hohlraum im Gewebe, spricht man von einem Abszess.
Am häufigsten kommen Abszesse an der Haut vor, da die Haut als erstes Organ mit Krankheitserregern in Kontakt kommt.
Neben vielen anderen möglichen Bakterien ist der Keim mit dem Namen Staphylokokkus aureus der Haupterreger, obgleich er eigentlich ein natürlicher Bewohner der Haut ist. Kommt es aber durch Schwächung des Immunsystems zu einem vermehrten Wachstum der Bakterien und/oder durch eine Verletzung zu einer Eintrittspforte, kann sich daraus eine Entzündung entwickeln.
Tritt ein Abszess im Bereich der Haarwurzeln auf, handelt es sich um ein Furunkel. Von einem Karbunkel oder einer Eiterbeule spricht man, wenn mehrere Abszesse an den Haarfollikeln nebeneinander auftreten.
Ob ein Abszess gefährlich ist, hängt unter anderem von den Beschwerden, dem Ort und der Größe des Abszesses ab. Kommt es neben den zu Anfang genannten typischen Entzündungssymptomen auch zu Fieber, Schüttelfrost oder anderen Zeichen von Krankheit, sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden.
Verläuft ein rötlicher Streifen auf der Haut, der seinen Ursprung im Abszess hat, kann dies im schlimmsten Fall auf eine Blutvergiftung hinweisen. Dann muss der Betroffene unbedingt umgehend eine Praxis oder ein Krankenhaus aufsuchen und sich untersuchen lassen!
Eine schmerzhafte Schwellung der im Umfeld befindlichen Lymphknoten ist eine natürliche Reaktion des Körpers, die mit Hilfe der weißen Blutzellen (Leukozyten und den dazugehörenden Lymphozyten) versucht, den Entzündungsherd von Bakterien zu befreien.
Bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, deren Stoffwechseleinstellung zufriedenstellend ist, kommen Haut- und Schleimhautinfektionen nicht häufiger vor als bei Kindern ohne Diabetes. Nur bei sehr schlechter Stoffwechsel-einstellung können gehäuft Haut-infektionen mit eiterbildenden Keimen und Pilzen auftreten.
Dass sich bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes an den Injektionsstellen ein Abszess (Spritzenabszess) bildet, kommt heutzutage praktisch nicht mehr vor.
Durch die allgemein verbesserten Hygienemaßnahmen und vor allem, weil für das Spritzen des Insulins Einmalartikel, Pens, ultradünne Pennadeln und Lanzetten verwendet werden, hat sich das Risiko für das Auftreten solcher eitriger Hautveränderungen deutlich verringert. Deshalb ist es aus hygienischen Gründen auch sehr wichtig, die Nadeln und Lanzetten bei jeder Insulininjektion und jeder Blutzuckermessung zu wechseln.
Steht die Umstellung auf die Pumpentherapie an, werden Sie und Ihr Kind durch das Diabetesteam ausführlich darin geschult, wie der Katheter richtig anzulegen ist.
Auf jeden Fall muss auf Sauberkeit geachtet werden, um Hautprobleme zu vermeiden. Der Katheter wird in der Regel am Bauch, an der Hüfte, am Oberschenkel und bei kleineren Kindern am besten am Po gelegt. Um Reizungen und Infektionen der Haut zu vermeiden, sollte der Katheter alle zwei bis drei Tage gewechselt werden. Der Abstand zur letzten Einstichstelle sollte auf jeden Fall eineinhalb Zentimeter oder zwei Finger breit betragen.
Hautveränderungen können durch den Katheter selbst oder durch die Reaktion auf das Haltepflaster bedingt sein. Manchmal ist es schwierig, herauszufinden, was die Hautprobleme genau verursacht hat. Da hilft es nur, zusammen mit dem Diabetesteam alle möglichen Ursachen systematisch auszuschließen. In Einzelfällen hilft es, vorübergehend hautschonende Sprays oder bakterizide Salben zu verwenden.
Ganz selten bildet sich im Bereich der Katheterstelle ein Abszess. Kleine Kinder sind besonders gefährdet, weil bei ihnen nur im Pobereich der Pumpenkatheter gelegt werden kann. Deshalb sollte der Pumpenkatheter sofort gewechselt werden, wenn sich eine Schwellung, Rötung, Verhärtung oder Knotenbildung um die Einstichstelle zeigt.
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Steißbeinfisteln (Pilonidalsinus) sind entzündlich bedingte “Tunnel”- oder Fistelbildungen, die fast immer an einer sehr unangenehmen Stelle auftreten, nämlich oberhalb der Analfalte. Sie entstehen durch abgebrochene Haare, die in die Haut eingewachsen sind. Durch Reibebewegungen des Gesäßes werden diese Haarreste immer tiefer in die Haut und das Unterhautfettgewebe (Subkutis) gedrückt.
Dadurch entstehen entzündliche Veränderungen (Fremdkörpergranulome), die sich infizieren und letztlich zu einem Abszess führen können. Durch die Abszessbildung entwickeln sich in der Regel “Tunnel”- oder Fistelgänge, die sich tief im Gewebe oder an der Hautoberfläche ausbreiten und Schmerzen verursachen können.
Am Olgahospital in Stuttgart mussten in den letzten zwei Jahren fünf Jugendliche mit Typ-1-Diabetes, die regelmäßig von uns betreut werden, wegen einer Steißbeinfistel operiert werden. Ist eine Steißbeinfistel bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes also doch etwas häufiger? Auf jeden Fall sollte bei bestimmten Risikofaktoren (s. Kasten) auf diese seltene, unangenehme Komplikation geachtet und rechtzeitig vorgebeugt werden.
Bei Jugendlichen wird die Diagnose der Steißbeinfistel dadurch erschwert, dass viele in diesem Alter sehr ungern über körperliche Probleme an bestimmen Körperstellen sprechen. Deshalb sollten Eltern und Diabetesteam behutsam vorgehen. Objektive Fragen und eine diskrete Untersuchung erleichtern die Weiterbehandlung.
Auch den meisten unserer Patienten war es unangenehm und peinlich, damit aufzufallen. Sie waren aber sehr erleichtert, als man offen darüber reden konnte und auch die schmerzhaften Symptome endlich behandelt wurden.
Am besten ist es, vorzubeugen und eine Abszessbildung zu vermeiden. Hat sich trotzdem ein Abszess entwickelt, kommt es darauf an, ob er unreif oder reif ist.
Ist der Abszess noch unreif, hat sich also der schmerzende Hohlraum noch nicht vollständig mit Eiter gefüllt, wird in der Regel zunächst abgewartet. Mechanische Manipulationen (Ausquetschen, Herumdrücken) sollten vermieden werden, denn dadurch breitet sich die Entzündung nur weiter aus.
Mit oralen Antibiotika (z. B. Penicillin) sollte behandelt werden, wenn die Verbreitung der Erreger über Blut oder Lymphe droht. Um den Einschmelzungsprozess zu beschleunigen und den Abszess schneller reifen zu lassen, werden Zugsalben verwendet. Die Inhaltsstoffe bewirken, dass die Durchblutung angeregt wird und damit auch Immunzellen schneller zu ihrem Zielort gelangen.
Ist der Abszess reif, hat sich also die Höhle vollständig mit Eiter gefüllt, hilft nur die Operation – meist ambulant und unter örtlicher Betäubung. Nur bei sehr jungen Kindern und bei ausgedehnten Befunden wie einer Steißbeinfistel ist eine “richtige” Operation erforderlich.
Zur Nachbehandlung eines eröffneten Furunkels bzw. eines Abszesses gehört die regelmäßige Wundtoilette. Dabei wird die Wunde gespült und es werden, wenn nötig, antiseptische oder antibiotische Salben und Lösungen verwendet. Eine systemische Antibiotikagabe ist bei sehr großen Abszessen oder bei sehr kleinen Kindern notwendig.
Während jüngere Kinder sich bei Hautproblemen meist melden oder durch Kratzen darauf aufmerksam machen, sind Jugendliche eher verschwiegen – besonders, wenn intime Körperstellen betroffen sind. Oft versuchen sie, sich durch Salben oder Herumdrücken an den entzündeten Stellen Erleichterung zu verschaffen. Das ist – Beispiel Steißbeinfistel – meist kontraproduktiv und kann die Situation eher verschlimmern.
Wenn den Eltern beim Waschen Eiter oder Blut in der Unterwäsche des Kindes auffällt oder ein Jugendlicher über juckende Schmerzen am Gesäß oder unangenehmes Brennen und Jucken beim Sitzen klagt oder Probleme bei längerem Sitzen hat, sollte behutsam nachgefragt werden. Besonders, wenn einige Risikofaktoren aus der Tabelle zutreffen, sollte das Thema auch beim nächsten Besuch in der Diabetes-Ambulanz angesprochen werden.
Psychologisch ist es wichtig, Jugendliche für solche Abszesse nicht verantwortlich zu machen. Nicht immer ist mangelnde Hygiene der Auslöser; oft kommen einfach viele Faktoren zusammen. Die Anzeichen werden zunächst unterschätzt oder verkannt, und dann ist es zu unangenehm, darüber zu reden. Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, können Jugendliche ganz natürlich nach möglichen Hautveränderungen (Akne, Entzündungen) an verschiedenen – auch heiklen – Körperstellen befragt werden.
Hautinfektionen mit eiterbildenden Keimen sind bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, die zufriedenstellende Blutzuckerwerte aufweisen, nicht häufiger als bei Kindern ohne Diabetes. Jedoch können sich in bestimmten Situationen und durch begünstigende Faktoren Abszesse und andere eitrige Unannehmlichkeiten bilden. Diese sollten so früh wie möglich medizinisch abgeklärt werden.
Bei der Untersuchung ist es unerlässlich, einfühlsam vorzugehen. Betroffene Jugendliche sollten nicht mit Vorwürfen, sondern durch sachliche Aufklärung über das Problem einbezogen werden.
von Dr. Martin Holder und Dipl. Psych. Béla Bartus
Leitender Oberarzt Pädiatrie II, Kinderdiabetologe und Kinderendokrinologe bzw.
Fachpsychologe Diabetes (DDG), Klinikum Stuttgart, Olgahospital
Kontakt:
E-Mail: M.Holder@klinikum-stuttgart.de
bzw.
E-Mail: B. Bartus@klinkum-stuttgart.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (1) Seite 8-10
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