Eltern-Kolumne „Brief an Nadine“: Vier Tage „alleine“ im Zeltlager

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Eltern-Kolumne „Brief an Nadine“: Vier Tage „alleine“ im Zeltlager

Nach sechs Jahren erschien im vorherigen DEJ der letzte Beitrag der Kolumne „Lucas Welt“ von Michael Denkinger. Ab sofort wird Kathy Dalinger über den Typ-1-Diabetes ihrer Tochter Leonie (10) und das Alltags- und Familienleben in einem jeweiligen Brief an ihre Freundin Nadine schreiben. Los geht’s mit Leonies erstem Besuch in einem Zeltlager…

Liebe Nadine,

Du weißt ja: Seit ca. eineinhalb Jahren ist Leonie aktiv bei den Pfadfindern. Ihr gefällt die Gemeinschaft und die vielen kleinen Feiern am Lagerfeuer. Aber zum Pfadfinderdasein gehören neben Lagerfeuerromantik auch immer wieder kürzere oder längere Zeltlagseraufenthalte mit der ganzen Sippe.

Vor den letzten Herbstferien brachte Leonie eine Einladung zum viertägigen Wikinger-Zeltlager mit nach Hause. Vier Tage – das sind auch drei Nächte. So lange war sie noch nie mit ihrem Diabetes-Management auf sich alleine gestellt.

Sie war ganz aufgeregt und wollte so gerne mit. Du kannst Dir denken, dass etwas Bauchgrummeln dabei war, als wir ihr die Erlaubnis gegeben haben – aber schließlich ist sie mit ihren 10 Jahren schon sehr selbstständig, auch im Diabetes-Alltag. Trotzdem fällt es uns nicht leicht, Leonie immer mehr loszulassen. Diese Erfahrung hast Du vielleicht auch schon gemacht?

Doch je näher der Termin rückte, umso unwohler fühlte sich Leonie. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie mitfahren sollte. Ihre größte Sorge galt den Nächten: Sie wacht bei Unterzuckerungen nicht auf. Wir haben ein CGM-System, das uns Eltern rechtzeitig aus dem Schlaf holt. Leider hört sie selbst diese Alarme im Schlaf überhaupt nicht. “Mama, was ist, wenn ich eine Unterzuckerung habe und nicht vom Alarm aufwache? Ich glaube, ich möchte lieber zu Hause bleiben.”

Kolumne „Brief an Nadine“

Die 14-jährige Leonie hat seit einigen Jahren Typ-1-Diabetes. Familie Dalinger hat also im Alltag schon reichlich Erfahrung mit der Erkrankung sammeln können. Ihr Wissen gibt Mutter Kathy Dalinger gerne weiter an ihre Freundin Nadine, deren Tochter erst vor kurzem die Diagnose erhalten hat.

alle Beiträge aus der Kolumne „Brief an Nadine“

Ich konnte ihre Sorgen gut verstehen, doch trotz meines Bauchgrummelns wollte ich, dass sie am Zeltlager teilnimmt. Schließlich hatte sie sich so darauf gefreut, und wir Eltern wollen ja unbedingt, dass sie ganz normal aufwachsen kann. Wir holten also die Betreuer mit ins Boot. Leonies Diabetes war zwar schon bekannt, doch ich wollte noch einmal über die Nächte sprechen – auch, um Leonie zu beruhigen.

Wir haben dann ausgemacht, dass die Betreuer das CGM in der Nacht an ihr Bett legen und sie im Falle eines Falles wecken würden. Was konkret bei einer Unterzuckerung zu tun wäre, habe ich in einer kleinen “Schulung” vermittelt. Und im Notfall sind wir Tag und Nacht per Handy zu erreichen.

An neuer Situation gewachsen und selbstständiger geworden

Und ich hatte noch ein weiteres Ass im Ärmel: Ich habe still und heimlich ein Hotelzimmer ca. 30 Minuten vom Zeltlager entfernt gebucht. Wir wollten Leonie davon eigentlich nichts erzählen, doch da sie sich so große Sorgen machte, haben wir es doch getan und konnten ihr so etwas mehr Sicherheit für die erste große Fahrt alleine geben. Und wir Eltern haben diesen “Kurzurlaub” genutzt, um etwas zur Ruhe zu kommen. Seit der Diagnose waren wir nicht mehr für mehrere Tage alleine als Paar unterwegs.

Jeden Abend haben wir ca. 10 Minuten mit Leonie telefoniert. Mehr Zeit hatte sie für uns nicht … Wir konnten hören, dass es ihr gut geht und kurz besprechen, ob sie die Basalrate für die Nacht reduzieren soll. Es war schnell klar, dass es ihr unheimlich viel Freude machte und dass wir mit unserer Erlaubnis für das Zeltlager die richtige Entscheidung getroffen hatten.

Nach den vier Tagen haben wir Leonie gesund und munter (und vor allem müde) wieder in die Arme geschlossen. Sie war an der neuen Situation gewachsen und ist wieder etwas selbstständiger geworden. Und auch ich habe dazugelernt und mein Kind wieder etwas mehr losgelassen. Das nächste Zeltlager kann also kommen, und dann werden wir wohl kein Hotelzimmer in der Nähe mehr buchen …

Viele Grüße und bis bald
Kathy und Leonie


von Kathy Dalinger

Avatar von kathy-dalinger

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2018; 11 (2) Seite 30

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  • tako111 postete ein Update vor 11 Stunden, 9 Minuten

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 1 Tag, 18 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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