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Prima: Durch das Zusammenspiel zwischen kontinuierlicher Glukosemessung und Insulinpumpe werden Kinder mit Diabetes und ihre Eltern entlastet. Aber hat durch die teilautomatische Steuerung der Insulintherapie auch der Pumpenplan ausgedient?
Closed Loop, Automatische Insulintherapie, künstliche Bauchspeicheldrüse – es gibt viele Begriffe, die alle dasselbe meinen: die teilautomatische Steuerung der Insulintherapie durch die Insulinpumpe, die in der Lage ist, auf Sensorwerte mit einer veränderten Abgabemenge des Insulins zu reagieren. Eines dieser Systeme ist in Deutschland seit zwei Jahren erhältlich; insgesamt gibt es aktuell drei Systeme, die in Deutschland verfügbar sind. Jedoch sind nicht alle für jedes Alter zugelassen und werden nicht von jeder Versicherung bezahlt.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Insulingaben zu den Mahlzeiten aber weiterhin vor dem Essen erfolgen müssen, um hohe Werte danach zu verhindern. Keines der Systeme kann vollautomatisch arbeiten.
Wenn aber die Pumpen die Insulintherapie jetzt weitgehend alleine steuern, kann dann nicht beim Wechsel auf so ein System auf das Erstellen eines Pumpenplanes verzichtet werden, sind dann Basalratentests (Auslassen einer Mahlzeit, um die Basalrate zu einer Zeit beurteilen zu können, in der sonst üblicherweise ein Bolus gegeben wird) überhaupt noch nötig? Warum muss man sich (gerade in Corona-Zeiten) in die Sprechstunde quälen und einen Insulinplan diskutieren?
Diese Fragen werden unserem Team nicht nur von Eltern gestellt, sondern auch innerhalb der medizinischen Arbeitsgruppen immer wieder diskutiert. Um eine Antwort den noch folgenden Ausführungen vorwegzunehmen: DOCH. Ein Insulinpumpenplan ist weiterhin sinnvoll und sogar unbedingt notwendig. Warum und wofür, möchte ich nun gerne erläutern.
Eine Insulinpumpe, die die Insulinmenge selbst mitsteuern soll, ist auf das Vorhandensein von Sensorwerten angewiesen. Das bedeutet: kein Sensor – keine automatische Steuerung. Dass es immer wieder Situationen geben kann, in denen keine Sensordaten vorhanden sind, kennen alle Nutzer oder Familien. Es kann sich um eine Fehlfunktion handeln, um ein Sensorende mitten in der Nacht, bei dem man nicht einen neuen legen und dann auf die Kalibration warten möchte, oder ganz einfach um das versehentliche Herausreißen des Sensors bei einem Kletterabenteuer. Das sind nur einige Möglichkeiten, die im Alltag durchaus vorkommen können.
Um in so einer Situation die Insulintherapie trotzdem sicher auf der Basis von Blutzuckerwerten durchführen zu können, muss die „Backup“-Programmierung der Pumpe dem aktuellen Bedarf des Kindes entsprechen.
Kinder wachsen, werden größer und schwerer – und damit steigt der Insulinbedarf. Wird eine teilautomatische Therapie begonnen, die zwei Jahre lang problemlos läuft, ist die Basalrate dann sicher nicht mehr die richtige, dasselbe gilt für die Korrektur- und Mahlzeitenfaktoren. Daher sollte im Rahmen der Sprechstunden regelmäßig mit dem Diabetesteam die Anpassung des Planes besprochen werden, die dann als Rückfallebene in die Pumpe programmiert werden kann.
Der Beginn einer automatisierten Therapie ist immer etwas ganz Spannendes für alle Beteiligten. Für die Kinder ist es zumeist eine Erleichterung, weil die Pumpe einzelne Fehler oder Ungenauigkeiten ausgleichen kann – und das freut auch die Eltern. Zugleich aber müssen die Eltern, die unter Umständen schon viele Jahre die Therapie ihrer Kinder managen, einen Teil der Möglichkeiten des Eingreifens abgeben, denn nicht jedes System erlaubt alle Handlungen, die sie bisher gewohnt waren. Eltern, die damit ein Problem haben, sollten dies mit ihrem Diabetesteam besprechen.
Neben der emotionalen Umstellung bedeutet aber der Start in die automatisierte Therapie, dass ab sofort die Pumpe einen Teil der Therapie leitet. Damit das gut funktioniert, muss die Pumpe die Therapie aber auf Basis guter Informationen durchführen. Das ist das Gleiche wie wir es im Umgang mit Computern kennen: Die Ergebnisse sind immer nur so präzise wie die Eingaben.
Wie bereits erwähnt, muss das Essen weiterhin mit einer Insulingabe VOR der Mahlzeit begleitet werden; also ist es wichtig zu wissen, ob die Kohlenhydratfaktoren auch wirklich stimmen. Vielleicht aber hat sich im Rahmen der bisherigen Therapie im Laufe der Zeit das eine oder andere „eingeschlichen“? Zum Beispiel kann die Basalrate aus verschiedenen Gründen am Vormittag zu hoch eingestellt sein oder der Mahlzeitenfaktor ist eher „schwach“, damit es nicht zu Unterzuckerungen kommt. Solche Schwachpunkte in einem Therapieschema zu erkennen, sollte Teil der Umstellung auf ein neues System sein.
Beispiel 1, 670 G-System: Der Kohlenhydratfaktor morgens ist zu schlapp, die Kurve steigt an, trotz reichlich automatischer Basalinsulingabe durch die Pumpe.
Beispiel 2, 670 G-System: Der Kohlenhydratfaktor morgens ist zu scharf, es kommt trotz ausgeschaltetem Basalinsulin zu langanhaltend niedrigen Werten. Die grauen Kästen zeigen eine manuelle Unterbrechung der Pumpe. Aber das ist nicht notwendig – die Pumpe stoppt das Insulin vollautomatisch und von alleine. Besser ist es, die Unterzuckerung mit kleinen Mengen Traubenzucker behandeln.
Damit die Hinweise auf eine fehlerhafte Insulinabgabe erkannt werden können, sollte die Familien sich von Beginn an regelmäßig mit den Sensorkurven im Ausleseprogramm auseinandersetzen. Dazu können das genaue Betrachten der Verläufe nach der Mahlzeit und ebenso das kritische Überprüfen der Korrekturfaktoren und sequentielle Basalratentests (Auslassen einer Mahlzeit bzw. kohlenhydratfreie Mahlzeit (z. B. Gemüse)) gehören.
Denn je nach System haben all diese Einstellungen eine unterschiedliche Relevanz. Beim System 670 G/770 G von Medtronic werden aus den Voreinstellungen der Pumpe nur die Mahlzeitenfaktoren und die Insulinwirkzeit verwendet. Bei Control IQ der Pumpe T:slim oder CamAPS Fx werden außerdem auch die voreingestellten Werte der Basalrate sowie die Korrekturregeln bei der automatischen Steuerung verwendet.
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Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2021; 13 (2) Seite 12-14
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