- Eltern und Kind
Nachgefragt | Recht: Schwerbehinderten-Ausweis und Bewerbung – was tun?
4 Minuten
Sie haben medizinische, psychosoziale und/oder rechtliche Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!
Die Frage
Vielen Dank für Ihre Tipps zur Bewerbung aus dem letzten Heft (DEJ 1/2020, S. 22; „Bewerbung: Muss Max den Diabetes angeben?“). Es ist beruhigend zu wissen, dass man die Diabetes-Erkrankung im Bewerbungsgespräch in aller Regel nicht mitteilen muss.
Wir haben in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Frage: Wir haben für unsere Tochter Svenja (15 Jahre) einen Schwerbehindertenausweis beantragt und erhalten, dazu wurde bei ihr das Merkzeichen H (H für „hilflos“) festgestellt. Nun will sie sich auf einen Ausbildungsplatz (Industriekauffrau) bewerben.
Im Internet und von anderen Eltern haben wir nun erfahren, dass man bei der Bewerbung den Arbeitgeber über den Schwerbehindertenausweis informieren muss. Das wollen wir aber nicht, denn ich glaube nicht, dass Sonja dadurch bessere Chancen hat, eher im Gegenteil. Was ist jetzt richtig: Muss Sie den Schwerbehindertenausweis mitteilen? Hat sie dadurch bessere oder schlechtere Chancen?
Claudia P. aus Hamburg
Die Antwort von Oliver Ebert
Egal, ob im Internet, in Schulungen oder auf Diabetes-Tagen: Zum Thema „Diabetes und Bewerbung“ wird leider sehr viel Unrichtiges verbreitet. Gerade bei heiklen juristischen Themen ist daher wirklich Vorsicht angebracht: Selbst auf den ersten Blick kompetent scheinenden Schreibern im Internet sollte man daher keinesfalls blind vertrauen, zumal deren tatsächliche Qualifikation und Identität meist im Dunkeln liegt. Nicht selten gilt hier daher: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.
So verhält es sich auch bei der Frage, ob der Schwerbehindertenausweis im Bewerbungsgespräch angegeben werden muss. Natürlich gibt es gute Gründe für den Arbeitgeber, warum er über eine etwaige Schwerbehinderung eines neuen Mitarbeiters Bescheid wissen will. Denn wenn jemand einen Schwerbehindertenausweis hat, ist dies für den Arbeitgeber mit teilweise erheblichen Belastungen verbunden:
Neben einem deutlich erhöhten Kündigungsschutz, der Sorge um möglicherweise überdurchschnittlich hohe Fehlzeiten und der Belastung mit zusätzlichen bezahlten Urlaubstagen muss der Arbeitgeber unter Umständen auch noch seine betrieblichen Abläufe auf den Behinderten einstellen.
Auch aus anderem Grund kann die Kenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft für den Arbeitgeber wichtig sein: Ab einer bestimmten Betriebsgröße sind Unternehmen verpflichtet, eine bestimmte Anzahl schwerbehinderter Menschen zu beschäftigen, ansonsten müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Umgekehrt ist es leider so, dass behinderte Menschen noch immer benachteiligt werden. Nur in Ausnahmefällen wird man davon ausgehen können, dass Schwerbehinderte tatsächlich gleiche Chancen bekommen wie nichtbehinderte Bewerber. Arbeitgeber haben oft Sorge, dass es Probleme mit der Leistung gibt oder es zu hohen Kranken- und Ausfallzeiten kommt; auch der erhöhte Kündigungsschutz wirkt mitunter abschreckend.
Viele Unternehmen weisen in der Stellenausschreibung zwar ausdrücklich darauf hin, dass schwerbehinderte Menschen bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden. Tatsächlich ist das aber oft nur alibihaft; der Arbeitgeber wird im Zweifel immer einen Vorwand finden, warum der letztlich eingestellte Bewerber dann doch ein klein wenig besser qualifiziert bzw. geeignet war.
Bewerbung: Die Frage nach der Schwerbehinderung ist unzulässig
Um vor solcher Diskriminierung geschützt zu sein, wird die Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch als unzulässig angesehen. Dies bedeutet, dass man den Schwerbehindertenausweis bei der Bewerbung nicht mitteilen muss und auf eine entsprechende Nachfrage des Arbeitgebers sogar die Unwahrheit sagen darf, ohne dass man Sanktionen befürchten muss.
Auch wenn man den Job bekommen hat, muss man den Arbeitgeber nicht unaufgefordert informieren – manche Menschen verzichten auf den Sonderurlaub und behalten den Ausweis nur „in der Schublade“, damit er im Falle einer Kündigung dann prozesstaktisch optimal eingesetzt werden kann. Denn eine Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters ist nur zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor die Zustimmung der Integrationsbehörde angefragt und erhalten hat.
Weiß der Arbeitgeber jedoch vom Ausweis gar nichts, dann wird er die Zustimmung natürlich nicht einholen – mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam ist. Gerade bei Mitarbeitern mit längeren Kündigungsfristen kann dies einen erheblich geldwerten Vorteil bringen, denn der Arbeitgeber muss dann ja erst einmal eine neue, wirksame Kündigung aussprechen. Auch für Abfindungsverhandlungen kann sich das vorteilhaft auswirken.
Allerdings gibt es nun natürlich ein gewisses Dilemma: Woher soll der Arbeitgeber denn wissen, dass ein Mitarbeiter schwerbehindert ist und er für eine Kündigung daher die Zustimmung der Integrationsbehörde braucht, wenn er bei der Einstellung doch gar nicht nach der Schwerbehinderung fragen darf?
Arbeitgeber darf später fragen
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.2.2012, 6 AZR 553/10) hat daher entschieden, dass eine spätere Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig sei, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens 6 Monate besteht. Dies gelte insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen. Denn dann hat man ja den Job bereits und kann wegen der Schwerbehinderung nicht mehr bei der Einstellung diskriminiert werden.
Da der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit entsteht, kann die Frage des Arbeitgebers zu diesem Zeitpunkt daher auch keine nennenswerten Nachteile mehr bringen.
Vor obigem Hintergrund halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass durch die Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft bessere Chancen auf eine Einstellung bestehen. Ich empfehle daher, dass Svenja den Schwerbehindertenausweis bei der Bewerbung besser nicht angibt.
So ist es im öffentlichen Dienst
Anderes gilt bei der Einstellung im öffentlichen Dienst. Hier kann eine Schwerbehinderteneigenschaft aus zweierlei Gründen vorteilhaft sein:
- Zum einen müssen behinderte Menschen bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden, was beim Staat in der Regel auch gemacht wird. Die Angabe des Schwerbehindertenausweises schadet daher zumindest bei der Bewerbung bei Bundes- oder Landesbehörden nicht und kann die eigene Ausgangsposition verbessern
- Ein weiterer Vorteil: Wenn es um eine Verbeamtung geht, muss eine amtsärztliche Bewertung der Dienstfähigkeit bzw. Diensttauglichkeit erfolgen. Bei schwerbehinderten Menschen gelten hier deutlich günstigere Bedingungen, insbesondere muss der Amtsarzt seine Prognose nur für einen relativ kurzen Zeitraum in die Zukunft abgeben. Bei nichtbehinderten Beamtenanwärtern müssen dagegen die gesundheitlichen Risiken bis zum Erreichen des Pensionsalters abgeklärt werden.
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (2) Seite 22-23
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 3 Tagen, 4 Stunden
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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