Nachgefragt | Recht: Typ-2-Diabetes-Medikament für Minderjährige nicht zugelassen

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Nachgefragt | Recht: Typ-2-Diabetes-Medikament für Minderjährige nicht zugelassen

Sie haben rechtliche oder soziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Unser Rechts-Experte Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort.

Die Frage

Unser Sohn Marlin (13 Jahre) ist leider sehr stark übergewichtig und hat auch einen Typ-2-Diabetes bekommen. Der Arzt meint nun, dass er jetzt bald Insulin spritzen müsse. Wir haben nun aber im Internet gelesen, dass es gerade bei Übergewicht auch andere Möglichkeiten geben könnte: So soll beispielsweise das Diabetesmedikament Victoza (Wirkstoff: Liraglutid) auch die Sättigung fördern, so dass man dadurch automatisch weniger isst.

Unser Arzt kennt dieses Medikament, und er hat es nach seiner Aussage auch schon erfolgreich bei Patienten eingesetzt, allerdings sei das Arzneimittel nicht für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zugelassen. Er dürfe es daher nicht verordnen, obwohl es nach seiner Einschätzung bei Marlin eine sehr gute Therapiealternative wäre.

Stimmt das wirklich? Wir haben immer gedacht, dass ein Arzt im Ausnahmefall auch nicht zugelassene Arzneimittel verschreiben darf?

Petra K.

Die Antwort von Oliver Ebert

Alle Arzneimittel, die in Deutschland (bzw. der Europäischen Union) in den Markt gebracht werden, müssen zuvor ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Eine Zulassung wird nur erteilt, wenn der Hersteller die Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität des Arzneimittels auch mit Hilfe klinischer Studien nachgewiesen hat. Mit der Zulassung werden dann die Anwendungsgebiete des Arzneimittels, die Anwendungsart und die Dosierung(en) festgelegt. Eine Verordnung des Arzneimittels ist grundsätzlich nur im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete bzw. für die vorgesehenen Indikationen zulässig.

Manchmal stellt sich aber heraus, dass ein Medikament möglicherweise auch für andere, nicht von der Zulassung umfasste Anwendungsgebiete eingesetzt werden kann. Ein solcher Off-Label Use (zulassungsüberschreitende Anwendung), also die Verordnung außerhalb der eigentlich zugelassenen Indikationen und Anwendungsformen, ist vor allem in den Bereichen Onkologie, Neurologie sowie in der Kinderheilkunde mittlerweile fast unverzichtbar geworden. Dennoch ist der Off-Label-Use alles andere als unproblematisch.

Nach dem Arzneimittelgesetz ist die Verordnung nämlich auf die vom Hersteller genannten Anwendungsgebiete beschränkt, denn nur hierauf wurde getestet. Es lässt sich daher nicht immer sicher ausschließen, dass es bei einem Einsatz außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs zu erheblichen Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten kommt.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Hersteller selbst sein Arzneimittel für neue, nicht zugelassene Indikationen zum “bestimmungsgemäßen Gebrauch” freigegeben hat – beispielsweise durch Vertrieb, Werbung oder Beratung. Auch wenn der Hersteller gegen einen ihm bekannten Off-Label-Use seines Präparats im Markt nichts unternommen, er solche Verwendung also geduldet hat, muss er mit einer etwaigen Haftung rechnen. Und auch der Arzt hat ein hohes Haftungsrisiko, das er nur durch sehr umfassende Risikoaufklärungen und mittels expliziten Einwilligungen der Patienten minimieren kann.

Abgesehen von der Haftungsfrage ist auch problematisch, ob bzw. in welchen Fällen die Krankenkasse die Kosten für eine solche Off-Label-Verordnung übernehmen muss.

Geregelt ist dies u. a. in § 2 Abs. 1a SGB V: “Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder in der Regel tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine […] abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.”

Ansonsten soll nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Off-Label-Use zu Lasten der Krankenkasse in der Regel auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer solchen Behandlung hinreichend belegt sind. Sofern das Krankheitsbild beim Patienten allerdings schon einen lebensbedrohlichen Zustand erreicht hat und keine gesicherten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, dann sollen etwas niedrigere Voraussetzungen gelten (Bundessozialgericht, Urteil vom 4. April 2006 , Az: B 1 KR 7/05 R): In solchen Fällen reicht grundsätzlich bereits eine positive Nutzen-Risiko-Analyse.

Im Ihrem Fall bedeutet dies, dass eine Verordnung auf Kassenrezept wohl wahrscheinlich eher nicht in Frage kommen wird, denn mit der Insulinbehandlung steht für Marlin ja eine wirksame und anerkannte Therapieoption zur Verfügung, die zudem auch noch kostengünstiger sein dürfte. Trotzdem sollten Sie es versuchen und – in Absprache mit Ihrem Arzt – bei der Krankenkasse einen entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme einer solchen Off-Label-Verordnung stellen.


von Rechtsanwalt Oliver Ebert

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (2) Seite 28-29

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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