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„Diabetes und Angehörige“ – das ist ein Thema, über das erst seit wenigen Jahren überhaupt erst intensiver diskutiert wird. Und weil es immer noch nur wenig Ratgeberliteratur für die Angehörigen von Menschen mit Diabetes gibt, arbeite ich derzeit an einem Buch mit Portraits von vielen verschiedenen Familien und Paaren, die von Diabetes betroffen sind.
Angehörige von Menschen mit Diabetes fühlen sich durch die Erkrankung ihres Familienmitglieds häufig ebenso stark betroffen und eingeschränkt wie der Diabetiker selbst. Was die Angst vor Unterzuckerungen angeht, haben sie meist sogar noch größere Ängste als die Betroffenen. Diese und viele weitere spannende Erkenntnisse stammen aus der DAWN2-Studie, die 2011 vom Unternehmen Novo Nordisk angestoßen wurde.
Damals war die Fachwelt schockiert, wie wenig man bislang über die Probleme der Angehörigen wusste und wie unzureichend man sie in Schulungen berücksichtigt. Ich wurde erstmals beim T1Day 2015 auf die DAWN2-Studie aufmerksam, denn dort berichtete Prof. Bernhard Kulzer, Psychologe am Diabetes-Zentrum Mergentheim, von seinen Aha-Erlebnissen mit der Studie.
Wenige Monate schrieb ich für die Zeitschrift Focus Diabetes eine Titelgeschichte über das neue große Thema „Diabetes und Angehörige“. Anhand dreier Portraits von Familien bzw. Partnerschaften beschrieb ich, wie Familien und Paare mit dem Diabetes umgehen. Was ihnen dabei gut gelingt und was ihnen schwerfällt. Außerdem befragte ich Psychologen und Psychodiabetologen, wie sie die geschilderten Fälle einschätzen, welchen Rat sie den Betroffenen geben.
Im Zuge meiner Recherche für den Artikel stellte ich erstaunt fest, dass es bislang so gut wie keine Ratgeberliteratur zu diesem wichtigen Thema gibt. Sprich: Wer gerade erfährt, dass z. B. seine Frau oder Freundin an Diabetes erkrankt ist, und im nächsten Buchladen nach einem passenden Ratgebertitel sucht, der findet kein Buch zum Thema. Keines, das ihm erklärt, welche Partnerschaftskonflikte manchmal infolge des Diabetes auftreten. Keines, das ihm Tipps gibt, wie er sich positiv in die Therapie einbringen kann, ohne seine Partnerin dabei zu bevormunden. Keines, das ihm anhand von Beispielen aufzeigt, wie er mit seinen eigenen Ängsten umgehen kann. Für die Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes gibt es zwar das eine oder andere Ratgeberbuch, doch für alle anderen Angehörigen fehlt ein solcher Titel noch.
Und so beschloss ich kurzerhand, dass ich dieses fehlende Buch schreiben möchte, nach einem ganz ähnlichen Strickmuster wie schon meinen Artikel. Ein Buch also voller Portraits verschiedenster Menschen, die in ihrer Familie oder Partnerschaft auf die eine oder andere Art mit Diabetes konfrontiert sind.
Warum Portraits und kein klassisches Sachbuch? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Sachverhalte besser verstehe und nachvollziehen kann, wenn sie mir anhand einer Geschichte aus dem echten Leben erzählt werden. In Portraits anderer Menschen, die ein ähnliches Problem wie man selbst haben, kann man sich wiederfinden und beim Lesen mitfühlend nicken – oder energisch den Kopf schütteln, weil man selbst sich in der geschilderten Situation ganz anders verhalten würde. In jedem Fall bieten authentische Geschichten eine gute Möglichkeit, aus den Erfahrungen anderer betroffener Menschen zu lernen und Trost zu schöpfen.
Nachdem ich ein inhaltliches Konzept für mein Buch erarbeitet hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Verlag – und fand mit dem Kirchheim-Verlag, aus dem auch Diabetes-Journal und Blood Sugar Lounge stammen, den perfekten Partner.
Dann machte ich mich auf die Suche nach passenden Interviewkandidaten, sprich: Familien und Paaren, in denen der Diabetes ganz unterschiedliche Rollen spielt. Und dann besuchte ich all diese Leute in ihrem jeweiligen Zuhause, um persönlich mit ihnen zu sprechen. Dabei verschlug es mich in kleine und große Orte in Bayern, Hessen, Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein. Zu kleinen und großen Familien, alten und jungen Paaren. Zu Männern, Frauen und Kindern mit Typ-1- bzw. Typ-2-Diabetes und ihren Familien, zu Betroffenen mit und ohne Begleit- oder Folgeerkrankungen. Unter meinen Interviewkandidaten waren Menschen, die sich als Familie sehr stark vom Diabetes eingeschränkt fühlen – aber auch Leute, die ein beneidenswert entspanntes Verhältnis dazu haben und den Diabetes gut in ihr Leben integriert haben.
Unterwegs in ganz Deutschland, um Angehörige von Menschen mit Diabetes zu interviewen: Da muss ich beim Autofahren auch an meinen eigenen Diabetes denken – und von unterwegs meinen Mann regelmäßig anrufen, damit er sich keine unnötigen Sorgen macht.
Manche Gespräche fielen mir sehr leicht, in anderen wiederum waren die Spannungen deutlich zu spüren, die der Diabetes in die Familien getragen hat – da hatte ich zwischendurch immer mal das Gefühl, gerade auf dünnem Eis zu wandeln. Immer jedoch war ich fasziniert von der unglaublichen Bandbreite des Lebens mit Diabetes. Außerdem war ich beeindruckt, wie bereitwillig und offen meine Interviewpartner mir Einblick in ihre ganz privaten Sorgen und Probleme gewährten und mir ihre Geschichten anvertrauten.
Und beinahe in jedem Gespräch fiel auf Seiten meiner Interviewpartner der geseufzte Satz: „Ich wünschte, so ein Buch, wie du es jetzt schreibst, hätte es damals gegeben, als wir die Diagnose erhalten haben!“ Dieser Satz ist es, der mich bei der Stange hält, während ich weiter an meinem Buch arbeite. Immerhin ist so ein Buch ein deutlich größeres Projekt als alles, was ich in meinen vielen Jahren als Journalistin bislang geschrieben habe, und erfordert eine Menge Durchhaltevermögen und Planung.
Ich sortiere meine Notizen, erinnere mich an meine Gespräche, fische nach dem roten Faden und reflektiere, worauf es in den einzelnen Portraits am meisten ankommt. Ein paar wenige Interviews fehlen mir noch, weil Gesprächspartner abgesprungen sind oder unsere Interviewtermine bislang aus terminlichen Gründen noch nicht zustande gekommen sind. Doch ich schreibe nun die bereits vorliegenden Portraits, von denen jedes am Ende durch ein Expertenstatement ergänzt wird, das die individuelle Geschichte um ein paar passende allgemeinere Informationen ergänzen und das Portrait einordnen soll.
Mein Buch nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch, als ursprünglich gedacht. Doch wenn es irgendwann im Frühjahr 2017 so weit ist, dass es in den Druck geht, dann werde ich ungeheuer froh sein, ein so großes und in meinen Augen sehr wichtiges Projekt abgeschlossen zu haben. Dann bleibt mit nur, auf gute Verkaufszahlen zu hoffen und gespannt auf die Reaktionen meiner Leser zu warten.
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