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Ernährungstherapien zählen zu den Grundlagen eines effektiven Diabetesmanagements – unabhängig vom Diabetestyp. Auch für Menschen im Diabetes-Vorstadium sowie für krankhaft Fettleibige sind Lebens- und Ernährungsumstellung, erlernt in Schulungen, grundlegend. Durch Ernährungsschulungen lernt man, wie man seine Nahrungsaufnahme verändert. Schwierig ist, diese Veränderungen dauerhaft beizubehalten. Diese Herausforderungen können Sie lernen zu meistern: mit kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) und mit Mahlzeitentests.
Menschen mit Diabetes wünschen sich individuelle Ernährungsempfehlungen. Dieses Ergebnis konnte von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe bei über 1.500 Umfrage-Teilnehmenden mit Typ-2-Diabetes erhoben werden. Rund 48 Prozent der Teilnehmenden wünschen sich eine individualisierte Ernährungsberatung. Für 78 Prozent der Befragten ist es zudem wichtig, dass das Essen schmeckt.
Auch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen den Erfolg einer individuellen Ernährungstherapie, im Vergleich zu allgemeinen Ernährungsempfehlungen: In einer Analyse vorhandener Studien zeigte sich nach 6 oder 12 Monaten, dass der HbA1c-Wert um 0,45 Prozentpunkte und der Body-Mass-Index (BMI) um 0,55 kg/m² gesenkt wurden sowie das Körpergewicht um 2,1 kg reduziert wurde. Das ungesunde LDL-Cholesterin senkte sich um 0,17 mmol/l.
In amerikanischen Ernährungsempfehlungen zu Diabetes mellitus heißt es: „Es gibt keinen Essensplan, der für alle passt und eindeutig Diabetes vorbeugen kann oder für das Diabetesmanagement der richtige ist.“ Dementsprechend sollte jede Ernährungsempfehlung auf persönliche Umstände, Präferenzen und individuelle Stoffwechselziele eines Menschen mit Diabetes angepasst werden.
Digitale Maßnahmen oder Geräte ziehen im Zeitalter der Digitalisierung mehr und mehr ein in die Ernährungstherapien und unterstützen die Gesundheitsfürsorge. Sie verbessern effektiv die Ernährungsempfehlungen bei Stoffwechselgesunden, bei Menschen mit Prädiabetes (Vorstufe eines Typ-2-Diabetes) und bei Menschen mit Diabetes. Hierzu können punktuelle Blutzuckermessungen hilfreich sein. Wenn man Tests mit Blutzuckermessungen durchführen möchte, müsste man mehrfach am Tag messen. Es empfehlen sich Messungen vor dem jeweiligen Essen und nach einer, zwei, drei und vier Stunden.
Einfacher sind natürlich kontinuierliche Glukosemessungen, die individuelle Glukoseverläufe nach dem Essen (postprandial) einfach darstellen und zusätzliche Informationen bieten können wie: Ist eine Unterzuckerung aufgetreten? Steigen oder fallen die Werte und wie stark? Ein „Sichtbarmachen“ dieser Glukoseverläufe hat viele Vorteile: für Menschen mit Diabetes, egal welche Therapie sie durchführen, und die beratenden Diabetesteams.
Glukoseverlauf nach dem Essen bei Menschen mit Diabetes: Einordnung (AGP-Fibel Ernährung) | |||
Grün | Gelb | Orange | |
Glukosewerte nach dem Essen | bis 180 mg/dl (10,0 mmol/l) | 180 – 250 mg/dl (10,0 – 13,9 mmol/l) | über 250 mg/dl (13,9 mmol/l) |
Differenz des Glukoseanstiegs | bis 60 mg/dl (3,3 mmol/l) | 60 – 100 mg/dl (3,3 – 5,6 mmol/l) | über 100 mg/dl (5,6 mmol/l) |
Geschwindigkeit des Glukoseanstiegs | langsam | mittel | schnell |
Wiedererreichen des Ausgangswerts | bis 3 Stunden | bis 4 Stunden | über 4 Stunden |
Zusammenfassung | optimal | individuelle Entscheidung, ob eine Veränderung notwendig ist | auffällig |
Zur Einordnung von Glukoseverläufen nach dem Essen wurde von einer deutschen Expertengruppe dieser Vorschlag erarbeitet, wie Verläufe bewertet werden können. |
Zum einen motivieren gute Verläufe Menschen mit Diabetes, einen eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Zum anderen helfen unbefriedigende Verläufe den Menschen mit Diabetes und den Beratungsteams, entsprechende Probleme zu erkennen – und möglichst zu beheben. Besonders bei einer Insulintherapie lässt sich so an vielen Schrauben drehen, um bessere Glukosewerte zu erreichen.
Die glykämische Variabilität spiegelt die Schwankungen im Glukoseverlauf wider und wird daher vermehrt als unterstützender Faktor zur Bewertung der Glukosekontrolle herangezogen.
Experten empfehlen, die Zeit im Zielbereich („Time in Range“) von 70 bis 180 mg/dl (3,9 bis 10,0 mmol/l) zu beurteilen: Sie sollte bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne wesentliche Folgeerkrankungen und einer intensivierten Insulintherapie (ICT) bestenfalls über 70 Prozent liegen.
Auch für die Zeit oberhalb des Zielbereichs von mehr als 180 mg/dl (10,0 mmol/l) wird in dem Experten-Statement eine Empfehlung formuliert: Sie sollte unter 25 Prozent liegen. Und unterhalb des Zielbereichs (unter 70 mg/dl bzw. 3,9 mmol/l) sollten weniger als 4 Prozent der Werte liegen.
Für den Vergleich individueller Glukoseverläufe nach Mahlzeitentests (s. folgenden Info-Kasten) für Menschen mit Diabetes wurde ein Online-Tool entwickelt.
Mahlzeitentests könnten Menschen mit Prädiabetes (Hochrisikogruppe), Personen mit Typ-1-,2-,3- sowie Gestations-Diabetes empfohlen werden. Jeder, der Mahlzeitentests durchführen möchte, sollte dafür seine bevorzugten Lebensmittel wählen: Nach persönlichen Vorlieben, kulturellen Besonderheiten und Verfügbarkeiten. Eine individualisierte Beratung könnte zusammen mit den Menschen einen Fahrplan entwickeln.
Folgende Nahrungsmittelgruppen könnten adressiert werden:
Die Mahlzeitentests sollten nach einem Schema durchgeführt werden:
Ziel ist es, die durch CGM gewonnenen Daten in Form der gezeigten Kurven im Vergleich darzustellen (s. Abbildung 1). Die graphische Darstellung der Glukoseverläufe und der Vergleich verschiedener Mahlzeiten bieten Nutzern und betreuenden Diabetesteams eine eigenständige Analyse ihrer individuellen Verläufe. Im Anschluss können die Nutzer allein oder gemeinsam mit den Diabetesteams die für sie passende Ernährung im Rahmen einer personalisierten Diabetestherapie finden.
Menschen, die sich bewegen – sei es das Fahren mit dem Rad zur Arbeit, Joggen oder sogar Wettkampfsport –, kennen aus eigenem Erleben zahlreiche Vorteile, die Bewegung mit sich bringt: Man fühlt sich körperlich wohler und fitter, ist meist ausgeglichener. Daneben gibt es viele Effekte, die wir nicht direkt wahrnehmen, die aber für den Körper ebenfalls positiv sind. Bereits 150 Minuten moderat intensive Bewegung (wie schnelles Gehen) pro Woche verbessert die Insulinempfindlichkeit und baut Bauchfett ab. Auch zeigen sich positive Effekte auf den Fettstoffwechsel und die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems sowie den Blutdruck.
Bewegung ist ein Kernelement bei der Therapie des Typ-2- und des Typ-1-Diabetes. Bewegung heißt nicht zwangsläufig Sport. Auch kleine Dinge im Alltag helfen, das tägliche Bewegungspensum zu erhöhen. Empfehlungen dafür sind beispielsweise statt Aufzug oder Rolltreppe eher Treppen zu benutzen. Beim Weg zur Arbeit mit Bus und Bahn könnte man ein paar Stationen vorher aus- oder einsteigen, um diese Strecke zu Fuß zu gehen. Mittagspausen lassen sich für kurze Spaziergänge nutzen.
Einkäufe kann man, wann immer möglich, statt mit dem Auto mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigen und das Wochenende bewusst für körperliche Betätigung nutzen. Gerätetraining, Hocker-Gymnastik, (Rollator-)Tanzen, Schwimmen oder Yoga eignen sich, um sportlich aktiver zu werden.
Menschen mit Diabetes können durch kontinuierliches Glukosemonitoring direkt erkennen, welche Effekte ihr eigenes Handeln hat. Das kann neben der Ernährung auch die Bewegung sein. So kann CGM durch das Sichtbarmachen eines sinkenden Glukoseverlaufs bei Bewegung zu einem gesünderen Lebensstil beitragen. Auch wenn Menschen, die CGM nutzen, nach einer Mahlzeit einen Anstieg der Glukosewerte beobachten, sind sie mehr motiviert, sich zu bewegen, um die Werte wieder in Balance zu bringen.
CGM bringt für Menschen mit einer Insulintherapie einen weiteren Vorteil: Es erhöht die Sicherheit, weil Alarme vor Hypoglykämien warnen. Die Darstellung mit CGM von Glukoseverläufen nach dem Essen kann Menschen mit Diabetes und Diabetesteams unterstützen, die Diabetestherapie zu optimieren. Durch diese Erfahrungen und das Beschäftigen mit dem Ernährungsverhalten können Menschen mit Diabetes und Prädiabetes wichtige Erkenntnisse hinsichtlich des individuellen Ernährungsverhaltens gewinnen.
Eine strukturierte Analyse von Mahlzeitentests, die mindestens dreimal durchgeführt werden sollten, ist dabei hilfreich. Auch die Wirkung von Alltagsbewegungen und Sport kann durch kontinuierliches Glukosemanagement unterstützend wirken.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (5) Seite 29-31
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