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Die Fahrt mit dem Auto oder Motorrad ist Ausdruck mobiler Freiheit, die viele Menschen nicht missen wollen – und auf die sie auch angewiesen sein können. Für viele ist der Führerschein Voraussetzung für Beruf und Freizeitaktivitäten. Im folgenden Artikel erfahren Sie, was dabei in Bezug auf den Diabetes wichtig zu wissen ist.
Nur wer über die notwendige gesundheitliche Eignung verfügt, um sein Fahrzeug sicher führen zu können, darf am Straßenverkehr teilnehmen. Fraglich ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vor allem dann, wenn jemand ein erhöhtes Risiko hat, plötzlich bewusstlos und/oder fahruntauglich zu werden. Dies kann beispielsweise bei Patienten mit Epilepsie der Fall sein.
Auch Diabetiker, die Insulin spritzen oder bestimmte Tabletten gegen zu hohe Werte nehmen müssen, können durch eine Unterzuckerung die Kontrolle verlieren und einen Unfall verursachen.
Anhand welcher Kriterien die gesundheitliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu beurteilen ist, wird von der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) vorgegeben. Diese verweist in Anlage 4a auf die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (herausgegeben von der Bundesanstalt für Straßenwesen [BASt], kostenloser Download unter www.bast.de [Verhalten und Sicherheit/Fachthemen]). In Kapitel 3.5 sind die Vorgaben zur Bewertung der Fahreignung bei Diabetes beschrieben.
Derzeit gibt es in Deutschland ca. 7,6 Millionen Menschen mit Diabetes, was einem Anteil von ungefähr 10 Prozent aller Führerscheininhaber entsprechen dürfte. Trotz dieses hohen Anteils an der Gesamtzahl der Führerscheininhaber gibt es bislang aber keine Belege dafür, dass Diabetiker ein relevant höheres Risiko im Straßenverkehr darstellen.
Auch in den Begutachtungsleitlinien ist seit einiger Zeit daher klargestellt, dass „gut eingestellte und geschulte“ Menschen mit Diabetes grundsätzlich sowohl Pkw als auch Lkw sicher führen können – dies gilt auch für die Personenbeförderung (Taxi, Omnibus).
Das Risiko beim Diabetes liegt in erster Linie darin, dass es zu Unterzuckerungen (Hypoglykämien) mit Kontrollverlust, Verhaltensstörungen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen kommen kann. Wesentliche Voraussetzung für eine Teilnahme am Straßenverkehr ist daher, dass Unterzuckerungen rechtzeitig wahrgenommen werden können:
„Wiederholte schwere Hypoglykämien im Wachzustand“ schließen in der Regel die Fahreignung so lange aus, „bis wieder eine hinreichende Stabilität der Stoffwechsellage sowie eine zuverlässige Wahrnehmung von Hypoglykämien sichergestellt ist“.
„Schwere Hypoglykämie“ meint dabei die Notwendigkeit von Hilfe durch eine andere Person. ‚„Wiederholte Hypoglykämie“ bedeutet das zweimalige Auftreten einer schweren Hypoglykämie innerhalb von 12 Monaten.
Die DDG empfiehlt in der Leitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ u. a. folgende Maßnahmen, über die auch der Arzt/die Ärztin aufklären sollten:
Dies bedeutet: Wenn es innerhalb eines Jahres mehr als einmal zu einer so schweren Unterzuckerung kam, dass man sich nicht mehr selbst helfen konnte bzw. sogar notärztliche Hilfe benötigte, darf man bis auf Weiteres nicht mehr Auto fahren.
Das medizinische Behandlungspersonal muss Sie als Patienten über die mit dem Diabetes verbundenen Risiken aufklären. Wenn eine unzureichende Unterzuckerungswahrnehmung vorliegt, dann wird man Ihnen zumindest für eine gewisse Zeit dringend vom Autofahren abraten und ein ärztliches Fahrverbot aussprechen. Auch beim Beginn einer Insulintherapie bzw. Insulinpumpentherapie dürfen Sie so lange nicht fahren, bis Sie die damit verbundenen Gefahren beherrschen bzw. die Auswirkungen auf den Körper einschätzen können.
Wenn Sie ein solches ärztliches Fahrverbot erhalten, sollten Sie es unbedingt beachten. Wer nach dem Motto „der Arzt kann mir gar nichts verbieten“ unbeirrt weiterfährt, macht sich in der Regel gemäß § 315c StGB strafbar. Kommt es zu einem Unfall, muss man zusätzlich mit einer Strafbarkeit nach weiteren Normen (u. a. §§ 222, 229 StGB) sowie Leistungsausschlüssen bzw. Regressen der Haftpflichtversicherer rechnen, da das Ignorieren begründeter ärztlicher Weisungen grundsätzlich als grob fahrlässig anzusehen ist.
Für die Fahreignung spielen aber nicht nur Unterzuckerungen eine Rolle. Auch Überzuckerungen (Hyperglykämien) „mit ausgeprägten Symptomen wie z. B. Schwäche, Übelkeit oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen“ können das Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen.
Daneben sind auch die mit einer Therapieumstellung verbundenen Risiken zu beachten. Die Begutachtungsleitlinien sagen hierzu: „Wer nach einer Stoffwechseldekompensation erstmals oder wer neu eingestellt wird, darf kein Fahrzeug führen, bis die Einstellphase durch Erreichen einer ausgeglichenen Stoffwechsellage (incl. der Normalisierung des Sehvermögens) abgeschlossen ist.“ Dies bedeutet: Unter Umständen können auch sehr hohe Blutzuckerwerte die Fahreignung vorübergehend ausschließen.
Eine Obergrenze für einen HbA1c-Wert gibt es allerdings nicht. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat die Relevanz des HbA1c-Werts in der wissenschaftlichen Leitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ untersucht. Es wurde kein Nachweis gefunden, dass ein hoher HbA1c-Wert automatisch dazu führen muss, dass die Fahreignung wesentlich beeinträchtigt wird.
Es gibt somit zwar keine starren Normwerte, aber Arzt und Patient müssen die jeweilige Situation verantwortungsvoll einschätzen, und Sie sollten die Hinweise von Arzt und Diabetesberatung unbedingt beachten.
Es beruhigt, dass der Diabetes nur selten dazu führt, dass die Fahreignung dauerhaft beeinträchtigt bzw. ausgeschlossen ist. Sobald eine „zuverlässige Wahrnehmung von Hypoglykämien“ wieder sichergestellt ist, kann die Eignung meist wieder attestiert werden. Nach den Begutachtungsleitlinien kann die Fahreignung in der Regel „auf der Grundlage einer fachärztlichen (diabetologischen) Begutachtung und durch geeignete Maßnahmen wie das Hypoglykämiewahrnehmungstraining, Therapieänderungen und vermehrte Blutzuckerselbstkontrollen wiederhergestellt werden“.
Es gibt mittlerweile immer mehr Instrumentarien, um wieder die Teilnahme am Straßenverkehr zu ermöglichen. Als Maßnahme der Therapieänderung könnte z. B. der Umstieg auf Insuline mit anderem Wirkprofil in Frage kommen. Häufig kann bereits eine erhöhte Zahl an Blutzuckerselbstkontrollen dazu beitragen, die Stoffwechsellage besser einzuschätzen bzw. vorherzusehen und so überraschende Hypoglykämien zu verhindern.
Auch durch den Einsatz eines kontinuierlichen Glukosemonitoringsystems (CGM-Systems) mit Alarmierungs- und Warnmöglichkeit bei abfallenden Gewebezuckerwerten lassen sich die mit einer Hypoglykämie verbundenen Risiken minimieren.
Bei vielen Unfällen, in denen Unterzuckerungen eine Rolle spielten, dürften in erster Linie Verhaltensfehler die eigentliche Ursache sein. Zu nennen sind hier vor allem seltene Blutzuckermessungen, eine falsche Insulin- oder Medikamentendosierung, Verwechslung der Insulinsorte oder Alkoholkonsum.
Jeder, der Auto fahren will, muss die zur Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten beachten. Gefahrenquellen bzw. Risiken sollten vermieden oder zumindest bestmöglich reduziert werden. Diabetikerinnen und Diabetiker müssen daher alles dafür tun, dass Unterzuckerungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden können.
Wer eine Insulinpumpe bzw. ein CGM-System einsetzt, sollte immer daran denken, dass Technik auch versagen kann. Daher sollte bei Fahrtantritt sichergestellt werden, dass Pumpe und Sensor bzw. Empfänger ordnungsgemäß funktionieren, die Schwellenwerte für die Alarme richtig eingestellt sind und die Alarmierung nicht stummgeschaltet oder zu leise eingestellt ist.
Verlassen Sie sich nicht blind darauf, dass alles funktioniert. Überprüfen Sie daher in regelmäßigen Abständen, ob der Sensor nicht womöglich ausgefallen ist. Beachten Sie dabei aber bitte die Straßenverkehrsregeln: Gemäß § 23 StVO ist das Bedienen von Smartphones und elektronischen Geräten während der Fahrt aufgrund des damit verbundenen Unfallrisikos verboten.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (8) Seite 18-21
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