Keine Steuer auf Zucker, dafür Werbeverbot

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Keine Steuer auf Zucker, dafür Werbeverbot

Wo ist die Zuckersteuer hin? Der Koalitionsvertrag des Ampelbündnisses sorgte im November 2021 für eine Überraschung. Denn eine wichtige Passage, die im Vorfeld schon als Zwischenergebnis durchgesickert war, flog kurz vor der Unterzeichnung wieder raus: die zur Zuckersteuer für Erfrischungs­getränke. Weiter enthalten ist das Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel.

Erinnern Sie sich an den Sommer 2020? Vor über anderthalb Jahren also, im Juli 2020, wurde bereits eine Nationale Diabetes-­Strategie – nach zähem, langjährigem Ringen – im Bundestag verabschiedet. Die Strategie hatte auch schon im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von 2018 gestanden.

Keine Zuckersteuer, kein verbindlicher Nutri-Score

Jetzt wurden die Karten neu gemischt. Seit Anfang Dezember 2021 ist der Koali­tions­vertrag der neuen Ampel-Regierung unterzeichnet. Das neue Vertragswerk berücksichtige zwar bestimmte Teilaspekte der Diabetes-Strategie, habe aber „keinerlei Fokus auf die Prävention, Früherkennung, Versorgung und Erforschung“ des Diabetes, kritisiert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). „Besonders bedauerlich ist, dass keine Steuer auf stark gesüßte Erfrischungsgetränke, die sogenannte ‚Zuckersteuer‘, eingeführt wird“, so die DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.

Noch im November hoffte sie hier auf einen „Meilenstein“, sollte sich die Ampel-Koalition tatsächlich auf eine „wirksame Zuckersteuer für Getränke“ einigen. Schon damals schränkte sie aber ein, dass „Gerüchte über ein Zwischen­ergebnis noch kein Koalitionsvertrag“ seien. Hier müsse die Ampel nun nachbessern, fordert sie, denn: „Die Zuckersteuer ist essen­ziell, um die Lebensmittelindustrie in die Pflicht zu nehmen.“ Den Nutri-Score, die viel diskutierte erweiterte Nährwertkennzeichnung für Lebensmittel – sie wurde im November 2020 auch in Deutschland eingeführt – wolle man laut Vertrag zwar weiterentwickeln, diese bleibe aber unverbindlich, so die Fachgesellschaft.

Karl Lauterbach: „Keine Leistungskürzungen“



Karl Lauterbach heißt der neue Bundesgesundheitsminister. Die Ursache für Typ-2-Diabetes liege „in der Regel im schlechten Lebensstil der betroffenen Personen“, postete er im Ja­nuar 2021 auf Facebook.

„Wir werden das Gesundheitssystem stärken. Es wird keine Leistungskür­zun­gen im Gesundheitswesen geben“, versprach der neue Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach aus Köln kurz vor seinem Amtsantritt im Dezember in Berlin. Seit Beginn der Pandemie ist der SPD-Gesundheitspolitiker häufiger Talkshow-Gast, gilt als Deutschlands „Corona-Mahner“. Nun wurde er Bundesgesundheitsminister und tritt die Nachfolge von Jens Spahn (CDU) an, der das Ministerium nach fast vierjähriger Amtszeit verlässt.
Manche dürften Karl Lauterbach auch noch aus den Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD, Amtszeit: 2001 – 2009) kennen. Er galt damals als ihr „Einflüsterer“, als Schmidts wichtigster Berater. Seinerzeit trug er auch noch sein Markenzeichen: die Fliege …

In einem Punkt waren sich die Koalitionäre einig: Beim Werbeverbot für ungesunde Kinder­lebensmittel, das jetzt im Koalitionsvertrag steht. Diese Maßnahme findet die DDG zwar „sehr begrüßenswert“, aber auch hier: wenig Klarheit, dafür viel Handlungsspielraum. „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben“, heißt es unter dem Punkt „Ernährung“ des knapp 180 Seiten umfassenden Koa­litionsvertrags, den SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam geschlossen haben.

Auch andere Aussagen der Ampel-Koalitionäre blieben unklar, wie die Frage, was mit den „auf Zielgruppen abgestimmten Reduktionszielen für ­Zucker, Fett und Salz“ gemeint sei. Erwähnt sind jedenfalls die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die in der Gemeinschaftsverpflegung von Kita und Schulen künftig verbindlich etabliert werden sollen.

Digitalisierung und Forschung

Die angedachten Vorhaben bei der Digi­talisierung und in der Forschungspolitik sieht die DDG positiv. Dazu der DDG-Präsident Prof. Dr. Andreas Neu: „Der Aufbau eines Diabetes-Registers sowie der Ausbau der Versorgungsforschung gehört zu einer der zentralen Forderungen im Rahmen der ­Nationalen Diabetes-­Strategie.“

Nun werde sich zeigen müssen, ob die Ampel wirklich bereit sei, „im Interesse der Menschen mit Diabetes auch Entscheidungen zu treffen, die mehr sind als ein halbherziger Kompromiss“, so das Fazit von Barbara Bitzer, die hier gleich Unterstützung anbot – von der DDG und ihrem Netzwerk, aber auch von Patientenverbänden. Sie setzt zudem auf den angekündigten Nationalen Präventionsplan, der „inklusive konkreter Maßnahmenpakete auch zu Diabetes“ entstehen solle.


Autorin:

Angela Monecke
Redaktionsbüro Angela Monecke
Kopenhagener Str. 74, 10437 Berlin

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (1) Seite 44-45

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