Krankenversicherungen: Wie unterscheiden sie sich?

6 Minuten

© MarsBars - iStockphoto
Krankenversicherungen: Wie unterscheiden sie sich?

Zwischen gesetzlichen Krankenkassen und privater Krankenversicherung gibt es große Unterschiede. Welche das sind und was Sie als Diabetiker bedenken sollten, weiß Rechtsanwalt Oliver Ebert. Mit dabei: eine Checkliste für chronisch Kranke.

Die Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind eine Solidargemeinschaft: Die Mitgliedsbeiträge sowie staatliche Budgets kommen in einen Topf, aus dem alle Ausgaben bestritten werden müssen. Dieses Umlageverfahren bedeutet, dass Junge durch ihren Beitrag die höheren Gesundheitskosten der Älteren mitfinanzieren.

Im Gegensatz hierzu sind die privaten Krankenversicherungen (PKV) auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet: Ziel ist es, aus den (Zins-)Erträgen sowie den “nicht verbrauchten” Prämien einen möglichst hohen Ertrag zu schöpfen. Die Beitragshöhe bemisst sich nach Eintrittsalter, Leistungsumfang und Gesundheitszustand bei Beginn der Versicherung und für Verträge, die vor dem 21.12.2012 abgeschlossen worden sind, auch nach dem Geschlecht.

GKV: Beitrag hängt vom Einkommen ab

Die Leistungen der GKV sind gesetzlich weitgehend geregelt (im Sozialgesetzbuch V) und bieten – trotz aller Kritik – einen im weltweiten Vergleich sehr hohen Standard. Jedes Mitglied einer GKV hat u. a. Anspruch auf medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahmen, Heil- und Hilfsmittel bzw. Medikamente. Die Leistungen werden grundsätzlich als Sachleistung erbracht, d. h. der Versicherte bekommt z. B. von seinem Arzt keine Rechnung.

Die Mitgliedschaft in der GKV ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für alle Arbeitnehmer und Angestellten grundsätzlich zwingend vorgeschrieben, die ein jährliches Bruttoeinkommen von weniger als 52 200 Euro haben (Jahresarbeitsentgeltgrenze, auch: Versicherungspflichtgrenze, Stand: 2013).

Der Gesundheitszustand spielt bei der Aufnahme neuer Mitglieder in die GKV keine Rolle, er wird auch nicht erfragt! Der monatliche Beitrag wird abhängig vom Bruttoeinkommen erhoben; der allgemeine Beitragssatz liegt derzeit bei 15,5 Prozent; hiervon werden 7,3 Prozent als Arbeitgeberanteil vom Arbeitgeber getragen. Seit 2007 können Krankenkassen auch Wahltarife mit unterschiedlichen Leistungen anbieten.

Beschäftigte, die regelmäßig über der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdienen, können von der Versicherungspflicht befreit werden. Nicht von der Pflichtversicherung betroffen sind auch Beihilfeberechtigte (Beamte und ggf. deren Angehörige), Selbständige sowie Mitglieder freier Berufe (z. B. Anwälte, Steuerberater, Künstler). Diese Personen können sich aber freiwillig gesetzlich versichern; eine Gesundheitsprüfung findet nicht statt.

PKV: Beitrag abhängig von Leistungsumfang und Risiko

Bei der privaten Krankenversicherung hängen die Leistungen vom gewählten Versicherungsvertrag ab. Insbesondere bei sehr günstigen Tarifen kann es vorkommen, dass manche Leistungen überhaupt nicht (oder nur begrenzt) bezahlt werden.

Es ist also im Einzelfall durchaus möglich, dass Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse sogar eine bessere Versorgung erhalten als Privatversicherte. Die Versicherungsbeiträge hängen zudem auch von Alter und Gesundheitszustand und bei Altverträgen auch noch vom Geschlecht ab: Je größer das Risiko für die Versicherung ist, umso höher wird der Beitrag.

Unterschiedliche Systeme, unterschiedliche Probleme

Hieraus ergeben sich auch die Probleme beider Systeme: Die GKV hat viele chronisch kranke Mitglieder, die erhebliche Kosten produzieren. Andererseits besteht kein Zwang, gewinnorientiert zu arbeiten.

Die privaten Versicherer können sich dagegen grundsätzlich aussuchen, ob sie ein Mitglied aufnehmen und dies u. a. auch von einer Gesundheitsprüfung abhängig machen. Vor dem Hintergrund der Gewinnerzielung ist daher verständlich, dass für die PKV an sich nur Mitglieder interessant sind, die möglichst wenig krank sind und somit wenig Kosten verursachen.

Beispiel 1: Klinikaufenthalt

Ein seit Jahrzehnten in einer PKV versicherter Patient (Typ-1-Diabetes, 65 Jahre) wurde zunehmend mit der Situation konfrontiert, dass seine eingereichten Arztrechnungen gekürzt und mitunter erst nach monatelangem Schriftwechsel bezahlt wurden. Er nahm diese Unannehmlichkeiten und die damit verbundenen Kosten (Zinsen aufgrund seiner Vorleistungspflicht!) zunächst hin und dachte sich nichts dabei.

Aufgrund starker Blutzuckerschwankungen wurde er von seinem Hausarzt dann zur stationären Neueinstellung in eine Diabetesklinik eingewiesen. Die Erstattung der Klinikrechnung wurde von der PKV jedoch mit dem Hinweis verweigert, dass die stationäre Behandlung medizinisch nicht notwendig und eine ambulante Einstellung ausreichend gewesen wäre. Trotz eingereichter Atteste vom einweisenden Arzt und vom behandelnden Chefarzt, woraus sich die medizinische Notwendigkeit ergab, sollte der Patient die Rechnung selbst zahlen. Nach monatelangem, erfolglosem Schriftwechsel hat der Patient nun den Gerichtsweg beschritten und hofft, auf diesem Weg endlich sein Geld zu erhalten.

Beispiel 2: Insulinpumpe

Einem jahrzehntelangen Mitglied einer PKV wurde eine Insulinpumpentherapie verordnet. Als er nun die Kosten seiner Insulinpumpe erstattet haben wollte, wurde ihm lapidar mitgeteilt, dass die Pumpe ein Hilfsmittel sei, welches nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht erstattungsfähig sei; Verbrauchsmittel und Insulin würden dagegen selbstverständlich erstattet werden. Erst nachdem schließlich der Klageweg beschritten war, zahlte die PKV die Anschaffungskosten der Pumpe.

Interessant hier: Nur aufgrund eines Formfehlers war die PKV zur Zahlung verpflichtet; grundsätzlich kann die Erstattung von Pumpen und Hilfsmitteln (z. B. bestimmte Messgeräte) nämlich durchaus vertraglich ausgeschlossen werden!

Sachleistungsprinzip der GKV vermeidet Probleme

Die beiden Beispielfälle zeigen, auf welche Probleme privatversicherte Diabetiker gefasst sein müssen – Kassenpatienten sind aufgrund des dort geltenden Sachleistungsprinzips hiervon nicht betroffen.

Beide Beispiele zeigen, dass die PKVen mitunter sehr genau wissen, wie Patienten durch Hinhalte- oder Verzögerungstaktiken (auch finanziell) zermürbt werden können: Wird dies mehrmals gemacht und muss der Patient jedesmal über Monate seinem vorgestreckten Geld hinterherlaufen, so wird er irgendwann entnervt seine Mitgliedschaft kündigen und in eine andere PKV bzw. wenn möglich in eine GKV wechseln.

Aber auch die gesetzlichen Krankenkassen machen oft Ärger: immer häufiger kommt es auch dort vor, dass der medizinische Dienst (MDK) die Notwendigkeit bestimmter Leistungen (z. B. Insulinpumpe) anzweifelt oder erhebliche Hürden aufgestellt werden. In solchen Fällen bleibt dann oft nur der Rechtsweg und eine Klage vor dem Sozialgericht.

PKV: womöglich hohe Beiträge im Alter

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse werden nach dem Einkommen bemessen, während die Tarife der privaten Krankenversicherer hauptsächlich von Alter und persönlichem Gesundheitszustand abhängen. Jüngere und gesunde Menschen müssen bei privaten Krankenversicherungen daher meist deutlich weniger zahlen als bei einer gesetzlichen Krankenkasse und erhalten dafür noch ein attraktiveres Leistungspaket – z. B. Chefarztbehandlung im Krankenhaus oder eine qualitativ womöglich bessere Versorgung im Krankheitsfall.

Jedoch gibt es im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenkasse keine Familienmitversicherung, d. h. jedes Familienmitglied muss separat privat versichert werden.

Teils exorbitant

Abhängig von Alter oder Familienstatus kann sich daher im Laufe der Jahre ergeben, dass die Beiträge im Einzelfall exorbitant steigen; es werden Einzelfälle berichtet, in denen Rentner mit einer monatlichen Krankenversicherungsprämie von über 1 000 Euro belastet sind. Wenn dann noch weitere finanzielle Belastungen dazukommen wie Kreditzinsen für ein Haus oder die Ausbildung der Kinder, kann es passieren, dass die Versicherungsbeiträge selbst bei hohem Einkommen nicht mehr bezahlt werden können.

PKV kann kündigen

Werden die Versicherungsbeiträge nicht bezahlt, so kann die private Versicherung womöglich kündigen – in diesem Fall besteht dann kein Versicherungsschutz mehr. Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenkasse ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich; wer älter ist als 55 Jahre, dem steht der Weg zur GKV nur noch in wenigen Ausnahmefällen offen.

Wichtig!
Der Versicherer hat insbesondere in den ersten drei Jahren das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, wenn gesundheitserhebliche Angaben bei Antragstellung oder bis zum Zeitpunkt der Annahme durch den Versicherer unterblieben sind. Bei arglistiger Täuschung kann der Versicherer den Vertrag auch noch später auflösen – dann steht man ebenfalls ohne Versicherungsschutz da, ein Wechsel in die GKV ist deswegen nicht möglich!

Der Basistarif

Seit 2009 müssen die privaten Krankenversicherungen allerdings einen Basistarif anbieten, der weitgehend dem Leistungsumfang der GKV entspricht. Der Beitrag zum Basistarif ist auf den Höchstbeitrag der GKV begrenzt. Jedoch erhält man auch hier nur deutlich reduzierte Leistungen, die weitgehend denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.

Zu beachten ist hier auf jeden Fall, dass im Gegensatz zur GKV, wo das Sachleistungsprinzip gilt, die Arztrechnungen vom Patienten zunächst selbst bezahlt werden müssen; die Rechnungen werden dann bei der PKV zur Erstattung eingereicht. Auch sollte man daran denken, dass die private Krankenversicherung im Basistarif maximal den 1,8-fachen Gebührensatz für Behandlungen erstattet. Man sollte das daher unbedingt vorher mit dem Arzt absprechen, um als Patient nicht auf einer eventuell höheren Gebührenrechnung sitzenzubleiben.

Was ist noch wichtig?

  • Wer von der GKV zur privaten Krankenversicherung wechselt, ist an diese Entscheidung gebunden; eine Rückkehr in die GKV ist in den meisten Fällen ausgeschlossen. Ausnahmen sind beispielsweise aber möglich bei Arbeitslosigkeit, wenn das Gehalt zu einem späteren Zeitpunkt die Bemessungsgrenze unterschreitet oder wenn dauerhaft eine Selbständigkeit aufgegeben und ein “normales” Angestelltenverhältnis begründet wird.
  • Mitglieder der PKV sind selbst Vertragspartner des Arztes bzw. des Krankenhauses. Dies bedeutet, dass die Rechnungen (die gerade bei aufwendigen Untersuchungen oder Klinikaufenthalten auch mehrere Tausend Euro ausmachen können) zunächst selbst bezahlt werden müssen. Wird die Rechnung von der PKV nicht erstattet, dann bleibt der Versicherte auf den Kosten sprichwörtlich sitzen bzw. muss die Zahlung wie im vorigen Beispiel erstreiten. Die Mitglieder der GKV, welche das Sachleistungsprinzip genießen, müssen sich um die Bezahlung der Arzt- oder Klinikrechnungen nicht kümmern.
  • In der PKV gilt der Grundsatz der individuellen Versicherung, d. h. für jede Person wird ein eigener Versicherungsvertrag mit einem eigenen Beitrag abgeschlossen. Ehepartner oder Kinder müssen daher zusätzlich versichert werden. In der GKV sind minderjährige bzw. in Ausbildung stehende Kinder kostenfrei mitversichert, ebenso ein nichterwerbstätiger Ehegatte, soweit dieser über kein bzw. nur ein minimales eigenes Einkommen verfügt.
  • Mitglieder der GKV haben die Möglichkeit, eine private Ergänzungsversicherung abzuschließen. Auf diese Weise kann der Versicherungsschutz auf das Niveau einer privaten Krankenversicherung angehoben werden, ohne den Rückhalt der Solidargemeinschaft aufzugeben.
Schwerpunkt Diabetes und Versicherungen

Autor:
RA Oliver Ebert, Stuttgart/Balingen
Kontakt:
REK Rechtsanwälte, Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart, Friedrichstraße 49, 72336 Balingen, E-Mail: Sekretariat@rek.de
, Internet: http://www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (9) Seite 26-30

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

Wie lässt sich Typ-1-Diabetes erkennen, schon bevor Symptome auftreten? Und was wird in der AVAnT1a-Studie untersucht – und mit welchem Ziel? Darüber sprechen wir im Diabetes-Anker-Podcast mit Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler.
Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

3 Minuten

Kommt es am Ende doch auf die Größe an?

Insulinpumpen werden immer kleiner – ein Fortschritt für viele, doch für manche Menschen mit Diabetes ein Problem. Community-Autor Daniel legt dar, warum Pumpengröße und Insulinmenge aus seiner Sicht entscheidend für individuelle Bedürfnisse bleiben.
Kommt es am Ende doch auf die Größe an? | Foto: privat

5 Minuten

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert