- Soziales und Recht
Nachgefragt | Recht: Wann übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Lipödem-Behandlung?
3 Minuten

Das Lipödem ist eine chronische und oft fortschreitende Erkrankung, die vor allem Frauen betrifft. Sie führt zu einer Vermehrung des Fettgewebes an Armen und Beinen. Neben Schmerzen und Bewegungs-Einschränkungen führt es häufig auch zu psychischen Belastungen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist das Absaugen von Fett (Liposuktion) inzwischen Kassenleistung. Wichtig sind danach aber auch Operationen, um die dann übrig gebliebene Haut zu entfernen. Werden auch die Kosten für diese Behandlung von der Krankenkasse übernommen?
Die Kostenübernahme für medizinische Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen wird in Deutschland durch das Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt. Grundsätzlich müssen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Kostenübernahme für Liposuktion und Hautstraffung
Bei der Beurteilung, ob ein Absaugen des Lipödems bzw. eine anschließende Hautstraffung diese Kriterien erfüllt, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Grundsätzlich gilt: Rein kosmetische Korrekturen werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. Bei einem schweren Lipödem (Stadium III, siehe Kasten) müssen Fett-Absaugungen (Liposuktionen) an Armen und Beinen aber unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen übernommen werden.
Dies allein reicht jedoch noch nicht aus. Der Eingriff wird nur übernommen, wenn in den letzten sechs Monaten eine ärztlich verordnete, konservative Therapie (manuelle Lymphdrainage, Kompressions-Therapie, Bewegung und sorgfältige Hautpflege) kontinuierlich durchgeführt wurde, diese aber erfolglos blieb.
Lipödem Stadium III
Ein Lipödem im Stadium III liegt vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind (§ 4 Absatz 2 der Qualitätssicherungs-Richtlinie zur Liposuktion bei Lipödem im Stadium III; diese Regelungen sind zunächst bis Ende 2025 befristet):
- disproportionale Fettgewebsvermehrung (Extremitäten-Stamm) mit großlappig überhängenden Gewebeanteilen von Haut und Unterhaut
- fehlende Betroffenheit von Händen und Füßen
- Druck- oder Berührungsschmerz im Weichteilgewebe der betroffenen Extremitäten
Dann kommt es noch auf den Body-Mass-Index (BMI) an: Der BMI ist ein Maß für das Verhältnis von Körpergewicht und Körpergröße. Er wird verwendet, um Übergewicht und Adipositas zu erfassen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu berechnen. Die Formel zum Berechnen lautet: BMI = Körpergewicht (in kg) / Körpergröße (in m) zum Quadrat. Bei Patienten mit einem BMI ab 35 kg/m2 muss zunächst die Adipositas behandelt werden. Beträgt der BMI 40 kg/m2 oder mehr, soll keine Liposuktion durchgeführt werden.
Nach einem erfolgreichen Absaugen des Fetts bleibt oft noch viel überschüssige Haut, was für die Betroffenen erheblich belastend ist. Die Kosten-Übernahme für solche Operationen ist allerdings nur selten Leistung der Krankenkassen, denn das Zuviel an Haut hat in der Regel keinen eigenständigen Krankheitswert. Kosmetische bzw. rein ästhetische Aspekte fallen jedoch nicht unter den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Weiterführende Informationen: G-BA-Richtlinie zu Liposuktion (Fett-Absaugung) bei Lipödem im Stadium III
Medizinische Notwendigkeit als Schlüssel-Kriterium
Für eine Kosten-Übernahme durch die Krankenkassen muss daher die medizinische Notwendigkeit für eine Hautstraffung nachgewiesen werden, was aber nur in Ausnahmefällen möglich sein dürfte. In Betracht kommen vor allem Patientinnen und Patienten, bei denen es zu nicht therapierbaren Hauterkrankungen wie Pilzbefall kommt oder die Hautfalten zu funktionellen Beeinträchtigungen und chronischen Hautreizungen führen. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse könnte auch dann bestehen, wenn eine schwerwiegende Entstellung vorliegt.
So hat das Sozialgericht Potsdam (Urteil vom 10.03.2023, S 7 KR 349/21) beispielsweise in erheblichen Hautreizungen und funktionellen Beeinträchtigungen im Bereich der Oberschenkel eine ausreichende medizinische Notwendigkeit für die operative Hautstraffung gesehen.
Für andere Bereiche (Oberarme, Brust, Flanken) wies das Gericht die Klage jedoch ab. Das Hessische Landessozialgericht (Urteil vom 02.05.2024, L 1 KR 247/22) hat im dortigen Fall dagegen keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine operative Hautstraffung gesehen, da die Hautfalten nicht zu schwerwiegenden Hautveränderungen oder einer erheblichen Entstellung der Patientin führten.
Entscheidend ist eine lückenlose Dokumentation des Leidensdrucks durch behandelnde Ärzte. Dies sollte idealerweise eine ausführliche Anamnese, regelmäßige Untersuchungen und Verlaufskontrollen sowie eine fotografische Dokumentation umfassen. Hilfreich kann auch ein psychologisches Gutachten sein, um die psychische Belastung durch den Haut-Überschuss zu belegen.
Kosten für die Operation können steuerlich abzugsfähig sein
Werden die Kosten für die Liposuktion bzw. Haut-Entfernung nicht oder nur teilweise von der Krankenkasse übernommen, können sie aber möglicherweise steuerlich abgesetzt werden. Dies gilt auch bei Lipödemen, die (noch) nicht das Stadium II erreicht haben. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass die Operation nicht (nur) kosmetischen Zwecken gedient hat, sondern medizinisch indiziert war (BFH, Urteil vom 23. März 2023, VI R 39/20).
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (6) Seite 48-49
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Ernährung
Rezept für Lasagne mit Veggie-Hack und Gemüse

2 Minuten
- Eltern und Kind
Serie – AID-Systeme für Kinder und Jugendliche: Wie Max und Marie ihren Diabetes mit der MiniMed 780G im Griff haben

4 Minuten
Keine Kommentare
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Anzeige
Recor Medical
Das Verfahren der renalen Denervierung kann helfen, den Blutdruck effektiv zu senken.