Unterzucker: Unterschrift nichtig?

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Unterzucker: Unterschrift nichtig?

Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Rechteck Antworten auf Rechtsfragen rund um das Thema Diabetes.

Die Frage

Inwieweit kann eine Vertragsunterschrift als nichtig erklärt werden, wenn Aufzeichnungen von CGM-Werten auf dem Laptop eine Unterzuckerung während der Zeit der Vertragsunterzeichnung nachweisen?

Anja P.


Die Antwort von Oliver Ebert

Grundsätzlich gilt, dass Verträge eingehalten werden müssen. Es ist daher nur in gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen möglich, sich von einem Vertrag zu lösen bzw. diesen als nichtig zu erklären. Ein solcher Ausnahmefall läge vor, wenn man zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsunfähig, bewusstlos oder (vorübergehend) erheblich in seiner Geistestätigkeit gestört war (§ 105 BGB).

Tatsächlich könnte eine gravierende Unterzuckerung dazu führen, dass man vorübergehend nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und dadurch nicht geschäftsfähig ist. Ein in solchem Zustand der Geschäftsunfähigkeit abgeschlossener Vertrag wäre grundsätzlich nichtig.

Allerdings dürfte es sehr schwer sein, nachträglich einen solchen Nachweis zu führen: Wenn die massive Unterzuckerung nicht ganz offensichtlich war und Sie auch körperlich keine Ausfallerscheinungen zeigten bzw. problemlos den Vertrag unterschreiben konnten, dann wird man nur schwer glaubhaft machen können, dass man alles so gar nicht wollte bzw. aufgrund der Unterzuckerung wirklich nicht überblickt hat.

Auch die Aufzeichnung der Sensorglukosewerte hilft hier nur bedingt, denn allein das Unterschreiten eines bestimmten Glukosegrenzwerts führt ja nicht zum geistigen Totalausfall. Zudem ist die Sensormessung im Unterhautfettgewebe auch nicht direkt mit einer blutigen Messung vergleichbar; für rtCGM gibt es insbesondere auch keine verbindlichen Genauigkeitsvorschriften.

Vielleicht hilft Ihnen aber eine andere Regelung:Bei manchen Verträgen gibt es ein gesetzliches Widerrufsrecht, d. h. Sie können dann innerhalb einer Frist von meist 14 Tagen ohne Angabe von Gründen einen Vertragsschluss widerrufen. Dies ist insbesondere bei vielen Bestellungen möglich, die über Internet getätigt werden. Wichtig ist hierbei, dass Sie den Widerruf schriftlich erklären; eine lediglich telefonische Widerrufserklärung empfiehlt sich nicht bzw. ist möglicherweise nicht wirksam.

Sollte kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehen, können Sie natürlich trotzdem versuchen, den Vertragspartner davon zu überzeugen, dass Sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht geschäftsfähig waren. Möglicherweise kann er dies nachvollziehen und entlässt Sie aus dem Vertrag. Besteht er aber auf seinen vertraglichen Ansprüchen, dann dürfte es meines Erachtens schwer werden, mit einer Unterzuckerung zu argumentieren; denn die Beweislast liegt insoweit bei Ihnen.

Wie immer kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalls an. Diese müssten dann gegebenenfalls durch Zeugen oder andere Begleitumstände belegt werden.


Autor:

Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart, Balingen
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (3) Seite 50

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