Warum Krankenkassen Kranke lieben

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Warum Krankenkassen Kranke lieben

Krankenkassen lassen Kranke kränker machen und forcieren den Einsatz nicht notwendiger Medikamente. Prävention steht leider nicht hoch im Kurs, kritisiert unser Kolumnist Hans Lauber.

Wie oft musste ich mir diesen Satz anhören: „Die Krankenkassen sind doch ihre natürlichen Verbündeten“. Ginge es nach dem gesunden Menschenverstand, wäre das richtig. Denn meine präventive Lauber-Methode aus Messen, Essen und Laufen hilft, den Lifestyle- also Typ-2-Diabetes zu besiegen. Hunderte Leser haben mir geschrieben, dass das funktioniert, dass sie keine oder kaum mehr Medikamente brauchen.

Nur: Wenig zu melden hat der gesunde Menschenverstand in unserem Gesundheitssystem. In Wirklichkeit ist es so, dass meine Methode die Kreise der Kassen stört – was ich schon vor über zehn Jahren in meinem Bestseller „Fit wie ein Diabetiker“ beschrieben habe.

Darin habe ich präzise nachgewiesen, wie durch den „Risikostrukturausgleich“ (RSA) alle Kassen ein Interesse daran haben, dass gerade die chronisch Kranken, etwa Diabetiker, von den Ärzten kränker geschrieben werden, als sie tatsächlich sind – denn dadurch können sie mehr Geld aus diesem Topf erhalten. So wird eine an sich vernünftige Einrichtung pervertiert, denn ursprünglich sollte dieser Fonds dazu dienen, dass Kassen mit risikoreichen Patienten dafür einen finanziellen Ausgleich erhalten.

Prävention hatte nie eine wirkliche Chance!

Doch schnell verselbständigte sich das System zu einem Selbstbedienungsladen zu lasten der Patienten. Mir hat das damals viel Kritik gebracht – und dazu geführt, dass ich keinerlei Chancen mehr hatte, meine Methode auf Veranstaltungen der Kassen zu präsentieren. Was noch schlimmer ist als mein persönlicher Schaden: Das Prinzip Prävention hat gerade beim Diabetes nie eine wirkliche Chance bekommen – weshalb es auch jedes Jahr rund 300.000 neue Typ-2-Diabetiker gibt, denn „je kränker, desto besser“, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) am 11. Oktober 2016 schreibt.

Jahrelang habe ich das Thema nicht weiter verfolgt, konnte nicht glauben, dass so ein krankes System sich so lange durchhalten lässt. Doch am 18. September 2016 berichtete die Welt am Sonntag in einem sorgfältig recherchierten Artikel unter dem Titel „Kranker Anreiz“, wie von den Kassen beauftragte Callcenter-Firmen an sich gesunde Patienten anrufen, ihnen sogar Angst machen, dass sie zum Arzt gehen – was zwar Kosten verursacht, aber den Kassen aus dem Finanzausgleich ein Mehrfaches einbringt.

Dass der „Abrechnungsbetrug“, so die SZ, immer noch funktioniert, hat nun Jens Baas, Chef der Techniker-Krankenkasse, in einem entlarvenden Interview vom 9. Oktober 2016 mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) bestätigt: „Es ist ein Wettbewerb unter den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren. Dann gibt es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich. Zudem lassen sich die Kassen in diese Richtung beraten. Dafür fallen Honorare an. Für all das haben die Kassen seit 2014 eine Milliarde Euro ausgegeben. Das fehlt für die Behandlung der Patienten. Das ist ein Skandal“.


»Eine Milliarde fehlt für die Patienten. Das ist ein Skandal«
Jens Baas

Natürlich hat der Chef der großen Krankenversicherung ein Eigeninteresse. Er will den RSA aushebeln, der vor allem der AOK zugute kommt. Trotzdem ist all das unfassbar – und es macht vor allem die Präventionsappelle lächerlich, die demnächst im Vorfeld des Weltdiabetestages am 14. November wieder kommen, gerade auch von den Organisationen, die sich öffentlich so gerne zum Wohl der Patienten aufstellen.

Schaden diese finanziellen Mauscheleien wenigstens kaum den Menschen (außer dass die Gefahr der Falschbehandlung besteht), birgt ein anderer Kassen-Mechanismus tatsächlich ein Schadenspotential: Es geht um die Verbindung der Disease Management Programme (DMP) mit dem Insulinverbrauch. Darüber habe ich auf Seite 119 meines Buches „Zucker zähmen“ anhand von Analysen des Berliner IGES-Instituts berichtet.

Vereinfacht gesagt, legen diese Analysen den Verdacht nahe, dass durch die DMPs rund einer Million Typ-2-Diabetikern Insulin verschrieben wurde, ohne dass es medizinisch unbedingt erforderlich gewesen wäre. Diese von vielen Experten häufig beklagte „Frühinsulinierung“ kann zu Nebenwirkungen wie Übergewicht und einem erhöhten Krebsrisiko führen.

Wird beim Insulinverschreiben immer noch weggeschaut?

Darüber habe ich mit dem Chef der Vorsorgeprogramme einer großen Krankenkasse gesprochen – und er hat diese Praktiken freimütig eingeräumt: „Ja, da haben wir nicht genügend aufgepasst, da gab es Strukturverträge, da hätten wir genauer hinschauen sollen“. Tja, hätte, hätte Fahrradkette, das Wohl oder Unwohl der Patienten spielt da keine Rolle, abgesehen davon, dass die Frühinsulinierung gigantische langfristige Kosten verursacht, denn einmal Insulin ist praktisch immer Insulin.

Aber, tröstete mich damals der Kassen-Mann: „Das ist doch alles Vergangenheit“. Wirklich?

Geld für Medikamente. Kein Geld für Prävention

Natürlich sind solche Praktiken kein Zufall, sondern logische Konsequenz unseres Systems: „Wir brauchen einen grundsätzlichen Systemwechsel. Die Ärzte müssen dafür bezahlt werden, die Menschen gesund zu machen. Heute lohnt es sich traurigerweise eher, die Patienten als Kranke zu behandeln. Wir haben eben prinzipiell ein Krankheits- und kein Gesundheitssystem“, fordert Prof. Rüdiger Landgraf, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Stiftung in „Zucker zähmen“.

Der renommierte Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner präzisiert diese Aussage ebenfalls in „Zucker zähmen“ bezüglich des Diabetes: „Für die Einleitung einer Insulin-Therapie wird der Arzt vergütet. Für die Erziehung zur Änderung des Lebensstils erhält er kein Honorar“. Und: „Mit Insulin wird auch viel Geld verdient“.

Wird sich das ändern, wird über diese kranken Strukturen endlich einmal offen gesprochen? Ich glaube nicht, denn in dem FAS-Interview sagt TK-Mann Jens Baas: „Transparenz ist ein Schreckgespenst im Gesundheitswesen“.


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Website: www.lauber-methode.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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