Flash-Quiz Teil 3: Sensordaten richtig interpretieren – der Gruppenleiter

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Flash-Quiz Teil 3: Sensordaten richtig interpretieren – der Gruppenleiter
© Steve Debenport - iStockphoto
Flash-Quiz Teil 3: Sensordaten richtig interpretieren – der Gruppenleiter

Kontinuierlich gemessene Glukosedaten richtig zu interpretieren, kann knifflig sein. In der neuen Serie „Flash-Quiz“ stellen wir Ihnen Fallbeispiele nebst Sensordaten vor. Wir beschreiben, was man anhand der Daten erkennen kann – Ihre Aufgabe ist es, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Hier finden Sie Teil 3.

Das Flash-Quiz – so funktioniert’s

Heute nutzen viele Menschen, die eine intensivierte Insulintherapie (ICT) oder eine Insulin­pumpentherapie durchführen, Sensoren zur Therapieüberwachung. Damit erhalten sie statt 4 bis 10 einzelnen Blutzuckerwerten beliebig viele Einzelmessungen der Glukose, einen kontinuierlichen Verlauf über 24 Stunden und Trendmeldungen, ob der Zucker steigt, fällt oder gleich bleibt. Die Tagesdaten lassen sich grafisch übereinanderlegen, so dass man die Werte von 7, 14, 30 oder 90 Tagen im Überblick erhält.

Umgang mit den Programmen erlernen

Diese Daten und grafischen Darstellungen werden von verschiedenen Auswerteprogrammen erzeugt. Den Umgang mit den Programmen muss man erlernen, damit man aus den Darstellungen die richtigen Schlüsse ziehen kann. Dabei sollte man sich nicht nur auf die Interpretation der Daten gemeinsam mit dem Diabetesteam verlassen: Jeder Patient sollte selbst erlernen, seine eigenen Daten anzuschauen, auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

AGP: ambulantes Glukoseprofil

Durch Sensoren erhalten Menschen mit Diabetes beliebig viele Glukosewerte. Ein Auswerteprogramm ist das ambulante Glukoseprofil (AGP). Im AGP sehen Sie die Mittellinie („Median“) mit den Glukosewerten, die in der Mitte liegen, in den blauen Feldern die Abweichungen. Im dunkel­blauen Bereich liegen 50 Prozent aller gemessenen Glukosewerte, im dunkel- und hellblauen Bereich 80 Prozent. Sind diese Bereiche sehr breit, deutet dies auf ein Einstellungsproblem hin. Ein sehr breiter hellblauer Bereich ist ein Hinweis für tägliche Schwankungen.
Achtung: Erst ab 80 Prozent erfasster Sensordaten kann eine therapierelevante Aussage getroffen werden.

Selbst die richtigen Schlüsse ziehen

In drei Teilen der Flash-Serie stellen wir Ihnen die Geschichte eines Patienten vor. Danach sehen Sie die Sensordaten, und wir beschreiben, was man anhand dieser Daten typischerweise erkennen kann. Ihre Aufgabe ist es dann, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ziel ist es, die Therapie durch die richtige Interpretation der Sensordaten für den Patienten zu optimieren.

Am Ende dieser Seite finden Sie die Lösung.

Wir hoffen, dass Ihnen das Flash-Quiz Freude macht und Ihren Blick für die Sensordaten schärft!

Flash-Quiz Teil 3: der Gruppenleiter

Helmut Werner ist 62 Jahre alt und hat seit 38 Jahren Typ-1-Diabetes. Er lebt in einer festen Partnerschaft und arbeitet als Gruppenleiter in einer Behinderteneinrichtung, kein Schichtdienst. Seit fünf Jahren trägt er eine mylife-­Omnipod-Insulinpumpe. Grund für die Umstellung auf Pumpentherapie waren sehr schwankende Blutzuckerverläufe und ein ausgeprägtes Dawn-Phänomen (erhöhte Blutzuckerwerte am Morgen). Sein letzter HbA1c-Wert lag bei 9,2 Prozent.

Herr Werner hatte in letzter Zeit starke Beschwerden in der Schulter und war deshalb beim Orthopäden. Die Dia­gnose: Schultergelenksarthrose. Seitdem ist der Zucker entgleist und lässt sich nur schwer unter 400 bis 550 mg/dl (22,2 bis 30,6 mmol/l) korrigieren. Immer wieder treten aber auch Unterzuckerungen auf.

Seine Pumpe ist mit dem Insulin NovoRapid gefüllt. Seine Basalrate beträgt 19,5 Einheiten/24 Stunden. Er rechnet durchgehend mit KE-Faktoren von 1,1 E/KE, und seine Korrekturregeln lauten 30 - 50 - 40 - 60 mg/dl (1,7 - 2,8 - 2,2 - 3,3 mmol/l) mit dem Ziel 100 mg/dl (5,6 mmol/l) tagsüber und 120 mg/dl (6,7 mmol/l) nachts. Er scannt etwa 10- bis 15-mal am Tag (­FreeStyle ­Libre, FGM) und isst ca. 12 KE am Tag.

Was verraten die Sensordaten?

Auf der 1. Abbildung sehen Sie die Momentaufnahme der letzten 15 Tage direkt nach dem Orthopädenbesuch. Der Glukosedurchschnitt liegt bei 230 mg/dl (12,8 mmol/l). Nur 23 Prozent der Werte liegen im Zielbereich zwischen 70 und 180 mg/dl (3,9 und 10,0 mmol/l). 77 Prozent der Werte liegen über dem Zielbereich. Werte unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) gab es nicht.

Klicken Sie für eine vergrößerte Ansicht auf die Abbildung.

Auf der 2. Abbildung sieht man den Medianwert. Er liegt bei Helmut Werner im Mittel zwischen 200 und 250 mg/dl (11,1 und 13,9 mmol/l). Nach dem Frühstück sieht man einen stärkeren Anstieg. Mittags fällt dieser eher flach aus, abends fehlt der Anstieg nach dem Abendessen. Im dunkelblauen Streifen sieht man keine sehr große Abweichung (Varianz) in der Nacht. Am späten Vormittag und vor allem am späten Nachmittag wird die Varianz größer. Der hellblaue Bereich streut vor allem am Vormittag nach unten und am späten Nachmittag nach oben.

Klicken Sie für eine vergrößerte Ansicht auf die Abbildung.

Zwei Wochen später

Auf der 3. Abbildung sehen Sie die Werte etwa zwei Wochen später. Der Glukosedurchschnitt liegt bei 115 mg/dl (6,4 mmol/l). 88 Prozent der Werte liegen im Zielbereich, 6 Prozent darüber und 6 Prozent darunter. Es gibt etwa 10 Werte unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l), vier davon unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l), keiner unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l). Die erfassten Daten liegen mit 94 Prozent im guten Bereich.

Klicken Sie für eine vergrößerte Ansicht auf die Abbildung.

Auf der 4. Abbildung sehen Sie, dass die Nacht mit einer sehr schmalen Varianz um die 100 mg/dl (5,6 mmol/l) verläuft. Der Anstieg nach dem Frühstück ist geringer, der nach dem Mittagessen verstärkt und abends wieder fehlend. Auffallend ist die starke Varianz nach dem Frühstück nach oben sowohl im dunkelblauen als auch im hellblauen Bereich.
Überlegen Sie: Was ist passiert? Was hätte Helmut Werner besser machen können?

Klicken Sie für eine vergrößerte Ansicht auf die Abbildung.

So, nun die spannende Frage: Wie können Sie Helmut Werner helfen?

hier finden Sie die Lösung (zum Ausklappen anklicken)

Sie werden es sicherlich vermutet haben – der Orthopäde hat Herrn Werner ein kortisonhaltiges Medikament gespritzt. Herr Werner hatte versäumt, die temporäre Basalrate anzupassen. Das Insulin hatte zwei Wochen nach Kortisongabe keine ausreichende Wirkung.

Wichtig bei Kortisongabe: die temporäre Basalrate anheben

Herr Werner hätte gleich nach der Kortisongabe die temporäre Basalrate seiner Insulinpumpe um mindestens 30 Prozent erhöhen müssen. Wenn dies nicht gereicht hätte, hätte er die temporäre Basalrate schrittweise um je 10 Prozent anheben müssen. Man kann die Erhöhung abschätzen, indem man die Insulinmenge der Korrekturen an einem Tag addiert und davon etwa die Hälfte der Basalrate hinzufügt.

Ohne Pumpe: Korrekturen alle zwei Stunden nötig

Ohne Pumpentherapie wären Korrekturen alle zwei Stunden bis zur Glukosenormalisierung notwendig gewesen. Danach wäre für die folgenden Tage ebenfalls das Basalinsulin anzuheben gewesen.

Herr Werner hatte jedoch seine Basalrate beibehalten, aber die KE-Faktoren leicht verändert. Er hatte sich morgens auf einen KE-Faktor von 1,5 eingestellt, mittags auf einen Faktor von 0,8 und abends auf 1,1. Das erklärt die anderen und nicht so günstigen Verläufe.

Na, sind Sie auf die Lösung dieses Problems gekommen? Dann Gratulation!


von Prof. Dr. Thomas Haak und Dr. oec. troph. Astrid Tombek

Avatar von thomas-haak

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (1) Seite 34-35

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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