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Dr. Hans Langer hat den Eindruck, dass Respekt vor anderen Menschen im täglichen Leben mittlerweile mehr und mehr auf dem Rückzug ist. Dies betreffe auch ihn und andere Behandler in seiner Diabetes-Klinik – manche Patienten sähen sie lediglich als Dienstleister und nicht mehr als Menschen, denen sie ihre Gesundheit anvertrauen.
„Respekt ist so ein Begriff, der immer mehr an Bedeutung verliert“, meinte ich zu meiner Frau Gaby, nachdem ich wieder einmal vollkommen frustriert und missgelaunt von der Arbeit nach Hause gekommen war. Gaby schaute mich mit fragenden Augen an. Und so erklärte ich ihr, dass das Wort „Respekt“ zwar auf vielen Trikots von Fußballern steht und auf die Wichtigkeit dieses Begriffs hinweist, aber im täglichen Leben scheint Respekt doch ganz schön stark verloren gegangen zu sein, zumindest in unserer Diabetes-Klinik.
Damit meine ich natürlich nicht, dass ich mir die Zeiten zurückwünsche, als wir Ärzte noch „Halbgötter in Weiß“ waren, was nach Ansicht unseres Chefarzts eine sehr schöne Zeit gewesen sein muss. Sehr oft trauert er mit wehmütigem Blick dieser Zeit hinterher. Nein, so weit will ich gar nicht gehen. Aber ich stelle schon fest, dass der Respekt vor fremdem Eigentum für viele unserer Patienten keine besondere Bedeutung zu haben scheint. Da brauche ich nur in unsere Schulungs-Räume zu schauen, wie diese oft vermüllt zurückgelassen werden, oder, wie mit unseren Lehr-Materialien umgegangen wird.
Aber auch der Respekt vor den Mitmenschen im Allgemeinen und vor uns Behandlern im Besonderen ist für einige unserer Patienten offenbar ein Fremdwort. Ich habe den Eindruck, dass manche uns lediglich als Dienstleister sehen und nicht mehr als jemanden, dem sie ihre Gesundheit anvertrauen. Unseren Chefarzt stört es zum Beispiel ganz gewaltig, dass manche Mitmenschen einfach seinen Professoren-Titel in der Anrede weglassen. Schließlich hat er dafür auch viele Monate im Forschungs-Labor und in den Hörsälen seiner Universität zugebracht. Auch bei mir ist es keine Seltenheit, dass ein Zeitgenosse zum Teil unverschämte Forderungen in nicht angemessenem Tonfall stellt.
Unlängst wurde sogar eine unserer Diabetesberaterinnen von einem Patienten angetatscht und auf völlig inakzeptable Weise verbal angemacht. Klar hatte das natürlich die sofortige Entlassung zur Konsequenz, aber dass solche Dinge überhaupt vorkommen, ist eine wirklich ungute Entwicklung.
„Kann ich gut verstehen“, meinte Gaby, „aber davon wirst du dir doch die Freude an der Arbeit als Diabetologe nicht trüben lassen?“ „Natürlich nicht“, antwortete ich, „dafür bin ich viel zu gern Arzt, aber schön wäre es schon, wenn man mich auch so behandeln würde.“
von Dr. Hans Langer
Das Team für den guten Schluss: Dr. Hans Langer arbeitet als Arzt in einer Diabetesklinik, Jana Einser hat schon seit Kindertagen Typ-1-Diabetes und Alex Adabei hat viele Bekannte und Verwandte mit Typ-2-Diabetes. Sie schreiben abwechselnd für diese Kolumne.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (6) Seite 82
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