Die Perspektive der Menschen mit Diabetes beim Diabetes Kongress

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© Roche Diabetes Care
Die Perspektive der Menschen mit Diabetes beim Diabetes Kongress

Über #dedoc°

#dedoc° ist ein internationales Netzwerk von und für Menschen mit Diabetes, gegründet 2012 in Berlin. Zu den wichtigsten Projekten zählen der alljährliche virtuelle Weltdiabetestag am 14. November (www.weltdiabetestag.de), die #dedoc° Symposien und #docdays°, die sich als Plattform für die internationale Stimme der Menschen mit Diabetes etabliert haben, und das #dedoc° voices Stipendienprogramm: Seit 2020 hat dieses bereits mehr als 200 besonders engagierten Menschen mit Diabetes aus aller Welt die Teilnahme an wissenschaftlichen Kongressen in aller Welt ermöglicht. “Es ist gut und wichtig, dass wir das dedoc° voices Stipendienprogramm auch in diesem Jahr wieder beim Diabetes Kongress etablieren und unsere #dedoc° voices auf einem eigenen Symposium selbst zu Wort kommen lassen konnten!”, freut sich Bastian Hauck, Gründer von #dedoc°.

Schwangerschaft, Diabetes-Risiko und Früherkennung

Lange Zeit war mein Diabetes allein meine Angelegenheit und nur ich fühlte mich dafür verantwortlich. Seit meiner Schwangerschaft wurde der Diabetes allerdings allmählich zur Familienangelegenheit, denn zum Wohl meiner Tochter sollten die Glukosewerte im schwangerschaftsspezifischen Zielbereich sein. Im Symposium “Neues zur Pathophysiologie in der Schwangerschaft” habe ich erfahren, dass für ein optimales Wachstum und die Gesundheit des heranwachsenden Kinds neben den Glukosewerten auch Blutdruck, Gewicht und Gewichtszunahme der Mutter wichtige Rollen spielen. Wenn diese neuen Erkenntnisse Teil der entsprechenden Leitlinien werden, wünsche ich mir, dass den Schwangeren mit Typ-1-Diabetes dadurch nicht zusätzlich Druck gemacht wird, da dieser sich negativ auf die Schwangerschaft auswirken könnte.Obwohl meine Tochter gesund zur Welt kam, weiß ich, dass sie im Vergleich zu anderen Kindern ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes hat. Deswegen bin ich froh, dass es in Deutschland über die Fr1daplus-Studie Möglichkeiten zur Früherkennung des Typ-1-Diabetes gibt. Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler vom Helmholtz-Zentrum München erklärte im Symposium “Typ-1-Diabetes Screening: Chancen, Nutzen, Risiken”, dass 90 Prozent der Kinder mit Typ-1-Diabetes keine engen Verwandten mit Typ-1-Diabetes haben und der Autoimmunprozess bei 80 Prozent vor dem sechsten Lebensjahr beginnt. Deswegen sollte dieser Test allen Kleinkindern im Rahmen der Regeluntersuchung inklusive einer ärztlichen Aufklärung über die Symptome zur Verfügung stehen. Der größte Vorteil der Früherkennung ist, dass das Risiko einer diabetischen Ketoazidose, also einer lebensbedrohlichen Übersäuerung des Körpers, bei Manifestation bis zu 20-mal niedriger ist.Bei meiner Tochter wurden bisher keine Autoantikörper festgestellt. Zwar können wir noch nicht endgültig Entwarnung geben, aber das Risiko für sie sinkt mit zunehmendem Alter, und dank der Fr1daplus-Studie haben wir dies stets im Blick.

Diabetes-Management: Technologie soll unterstützen, kann aber auch eine Hürde darstellen

Beim diesjährigen Diabetes Kongress wurde aus verschiedenen Blickwinkeln auf technische Innovationen geschaut. Es ging um DiGAs (digitale Gesundheits-Anwendungen), Digitalisierung im Praxis- und Klinikalltag, AID-Systeme und Smart-Pens, digitale Sprechstunden, Nutzung von Technologien im Alter, aber auch um die möglichen Grenzen der Technik. Digitale Lösungen als Selbstzweck sind jedoch kaum sinnvoll. Technik soll den Menschen helfen, das Leben zu vereinfachen oder die Lebensqualität zu erhöhen. Hörte man in den Vorträgen genau hin, kamen immer wieder die Grenzen und Hürden digitaler Lösungen zum Ausdruck. Diesen Punkt griff Dr. Matthias Kaltheuner aus Leverkusen in seinem Vortrag “Diabetestechnologie: Belastung oder Entlastung für Patienten und Behandler?” auf und stellte beide Perspektiven dar: die der Behandelnden und die der Menschen mit Diabetes.Technik muss im Alltag funktionieren, interoperabel und zuverlässig sein. Mit Blick auf die Resilienz-Forschung ist Technik, die das Gefühl von Hilflosigkeit auslöst, nicht hilfreich. Es braucht das Gegenteil: Steigerung der Selbstwirksamkeits-Wahrnehmung. Ein Problem, vor dem Behandelnde sowie Patientinnen und Patienten stehen, ist fehlende Information und Schulung. Viele neue Systeme sind auf dem Markt, aber es gibt keine zertifizierten Schulungen für längst im Alltag gebräuchliche Medizinprodukte wie Systeme zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM) – ganz zu schweigen von den Systemen zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID-Systemen). Die Digitalisierung und die Entwicklung neuer Technologien überholen die Menschen selbst – hierfür brauchen wir dringend Lösungen!

Kongressleben? Nicht ohne Patienten-Stimme!

Diabetes ist Teamarbeit – und zum Team gehören nicht nur Ärztinnen und Ärzte sowie Beraterinnen und Berater, sondern auch die Menschen mit Diabetes. Die Patienten-Stimme ist daher ein wichtiger Bestandteil des Diabetes Kongresses. Die Tagung ist eine wichtige Plattform für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Praktikerinnen und Praktiker mit dem Ziel, Therapie- und Präventionsfortschritte zu erreichen, von denen Menschen mit Diabetes langfristig profitieren. “Die Diabetesstimme muss lauter werden” war auch in diesem Jahr das Symposium für und von Menschen mit Diabetes, das #dedoc° erneut inhaltlich mitgestaltete – für die Menschen mit Diabetes und mehr Miteinander im Diabetes-Team!

Bei Diabetes auch auf psychische Erkrankungen achten

Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, an weiteren chronischen und an psychischen Krankheiten zu erkranken, als Menschen ohne Diabetes. Im Symposium “Es ist nicht nur der Zucker: Psychiatrische Erkrankungen und Diabetes” wurde besonders auf Essstörungen und Angststörungen eingegangen, aber auch auf die psychische Belastung, die nach einer Manifestation des Diabetes bei Eltern, Angehörigen sowie Freundinnen und Freunden auftritt. Als relativ frisch diagnostizierte, junge Frau mit Typ-1-Diabetes kann ich bestätigen, dass mein Diabetes nicht nur einen großen Einfluss auf meine eigene psychische Gesundheit hat, sondern auch die Gedanken meines direkten Umfelds beeinflusst. “Die Beziehung [mit dem Kind] ist sehr stark mit Angst verknüpft”, so Louise Marshall aus Lübeck in ihrem Vortrag während des Symposiums. In Gesprächen mit meiner eigenen Mutter kommt immer wieder heraus, welche Sorgen und Ängste in ihrem Kopf herumschwirren.Die Einflussfaktoren und Entwicklungsaufgaben, die einen selbst und das Leben mit Diabetes betreffen, variieren dabei stark, je nachdem, wie alt der/die Betroffene ist. Während Betroffene im Schulkindalter beispielsweise mit der Erweiterung ihres sozialen Umfelds zu kämpfen haben, müssen Jugendliche sich mit Themen wie Selbstverantwortung, Sexualität und die Akzeptanz ihres eigenen Körpers auseinandersetzen. Gerade wegen der vielen Herausforderungen und dauerhaften Entwicklungsaufgaben in Bezug auf das Leben mit Diabetes ist eine niedrigschwellige, andauernde und interdisziplinäre Betreuung der Betroffenen und ihrer Familien besonders wichtig. Durch die alleinige Kontrolle der Patientinnen und Patienten durch Diabetologinnen und Diabetologen fallen eventuell erhöhte psychische Belastungen oftmals nicht auf, sodass die Probleme sich eher vergrößern als verkleinern. Hier ist also ein neuer Ansatz in der Behandlung nötig und sinnvoll.

Resilienz: die Stärke, gut mit Diabetes zu leben

Das Leben von uns Menschen mit Diabetes wird tagtäglich davon beeinflusst, schnelle und flexible Therapie-Entscheidungen treffen zu müssen. Das kann sehr anstrengend sein, gerade wenn die Therapie nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen führt. Diabetes und chronische Erkrankungen können die Resilienz-Fähigkeit schwächen. Resilienz ist, wenn Personen oder Gemeinschaften in der Lage sind, schwierige Lebenssituationen, zu denen z. B. Krisen oder Katastrophen gehören, ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen.Die gute Nachricht aus dem Symposium “Resilienz und Diabetes” ist: Es gibt Faktoren, die die Resilienz stärken können: das Erlernen von Bewältigungsstrategien, ein wertschätzendes Umfeld (dazu gehört auch ein wertschätzendes medizinisches Umfeld!), Stressbewältigung, der Austausch mit anderen. Was erstmal abstrakt klingt, lässt sich recht einfach mit Leben füllen: Beim letzten Besuch bei meiner Diabetologin ging es mir ziemlich schlecht, ich war gestresst. Ihre Aufgabe an mich war, mir jeden Tag etwas Gutes zu tun: ein Spaziergang, ein schönes Lied, ein leckeres selbst gekochtes Essen. Es sollte etwas sein, was schnell umsetzbar ist. Was so einfach klingt, fiel mir damals schwer. Das liegt ein paar Monate zurück, mittlerweile geht es mir besser und die Aufgabe hat mir geholfen.Leider ist es nicht immer einfach, die Resilienz zu stärken. Die aktuelle Forschung der positiven Psychologie zeigt, dass Resilienz und auch Verhaltens-Problematiken vielschichtig sind. Prävention stützt sich dabei auf drei Pfeiler: Umwelt (Gesellschaft, Medien, Politik), das Zwischenmenschliche (z. B. Familie sowie Freundinnen und Freunde, Arbeitsleben, Gesundheitssystem) und das Individuelle (z. B. Genetik, Verhaltensweisen).

Wie genau messen Laborgeräte?

Ich habe einen Vortrag über die Abweichungen der Messwerte vom Referenzwert von Labormessgeräten besucht, da mich interessiert, wie genau diese Geräte sind. Im Vortrag von Prof. Dr. Matthias Nauck aus Greifswald im Symposium “Diabetes-Diagnose und Güte der Glukose-Messung: A never ending story?” wurde deutlich, dass aktuell Messwert-Toleranzen bis zu 11 Prozent zugelassen sind. Was bedeutet das für uns Menschen mit Diabetes?Theoretisch kann bei einem tatsächlichen HbA1c von 6,5 % ein Wert von 5,8 bis 7,2 % angezeigt werden. Aber es gibt laut Nauck nur eine geringe Anzahl von Labormessgeräten, die tatsächlich eine so hohe Abweichung aufweisen. Diese soll bald auf 5 Prozent heruntergesetzt werden. In meinen Augen verliert das HbA1c nach und nach sowieso an Relevanz, da wir immer mehr die Messgröße “Time in Range” (TIR; Zeit im Zielbereich) nutzen.Diese Abweichungen und Toleranzen betreffen allerdings nicht nur den HbA1c-Wert. Auch andere im Labor untersuchte Werte unterliegen Toleranzen. Das sollten Menschen mit Diabetes immer im Hinterkopf behalten.

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