Die Stunde der Detektive

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Die Stunde der Detektive

Welche Testosteronwerte sind normal – und welche sind behandlungsbedürftig? Unser Autor nennt auch die Symptome und Beschwerden, die in verschiedenen Stadien des Mangels häufig auftreten.

Beim erwachsenen Mann gelten Gesamttestosteronwerte im Blut in der ersten Tageshälfte zwischen 12 und 40 nmol/l als normal. Ein Gesamttestosteronwert zwischen 8 und 12 nmol/l bedarf einer weiterführenden Untersuchung. Jungen vor der Pubertät haben Gesamttestosteronwerte von unter 4 nmol/l.

Zwischen der Gesamttestosteronkonzentration im Blut und dem Auftreten einzelner Symptome des Testosteronmangels besteht ein guter Zusammenhang (s. Abb. 1). Gesamttestosteronwerte zwischen 12 und 15 nmol/l gelten als Grauzone, zumal auch die Beschwerden wie Libidoverlust und Rückgang der Antriebskraft unter anderem durch psychische Faktoren stark mitbestimmt werden können.

Durch die gemeinsame Betrachtung der Botenstoffe der Hirnanhangdrüse (Gonadotropine) und dem Gesamttestosteronwert gelingt es, den Testosteronmangel in drei Gruppen einzuteilen:

Patienten mit einem niedrigen Gesamttestosteronwert, einem niedrigen freien Androgen-Index und sehr hohen Werten für die Gonadotropine:

Mediziner sprechen in dem Zusammenhang von einem hypergonadotropen Hypogonadismus. Eine sehr häufige Ursache dieses Testosteronmangels ist das Klinefelter-Syndrom, das in Deutschland bei jedem 500. Mann nachweisbar ist. Bei diesen Patienten liegt ein X-Chromosom zu viel (XXY) vor. Anders ausgedrückt: Zu den normalerweise bei Männern vorliegenden Chromosomen, also den Trägern der Erbmerkmale, kommt ein weiteres X-Chromosom hinzu.

Die Patienten fallen neben dem Testosteronmangel auf durch kleine Hoden, Zeugungsunfähigkeit wegen zu niedriger oder fehlender Spermienzahl, spärlichen Bartwuchs, ein Wachstum des Brustdrüsenkörpers, eine Anämie und Lernschwierigkeiten (um nur einige Symptome und Beschwerden zu nennen). Haben Sie bemerkt, welchen Patienten mit Testosteronmangel wir damit beschrieben haben? Genau, den Briefträger. Die Chromosomenanalyse zeigte bei ihm XXY, statt XY.

Patienten mit einem niedrigen Gesamttestosteron, einem niedrigen freien Androgen-Index und sehr niedrigen Werten für die Gonadotropine:

Für diese Patienten gilt der Begriff hypogonadotroper Hypogonadismus. In der Gruppe tauchen alle Patienten auf, bei denen eine Störung der Produktion der Botenstoffe der Hirnanhangdrüse vorliegt. Ein Ausfall oder Rückgang der Gonadotropine tritt immer auf, wenn die Hypophyse wegen eines Tumors entfernt wurde oder ein unentdeckter Tumor der Hypophyse die Zellen zerstört hat, die für die Produktion der Gonadotropine verantwortlich sind.

Im ersten Schwerpunkt-Beitrag haben wir darauf hingewiesen, dass ein hypogonadotroper Hypogonadismus sich auch durch eine Erhöhung des Stillhormons oder durch die Einnahme von Anabolika entwickeln kann; es ist weitgehend unbekannt, dass ein chronischer Schmerzmittelkonsum (vor allem Opioide) nahezu immer zu der Erkrankung führt – mit Abfall der Testosteron- und Gonadotropinspiegel. Die Ausprägung ist abhängig von der verwendeten Dosis, aber nicht von der Applikationsart.

Opioide beeinflussen auch die Sekretion des Botenstoffes für die Nebenniere, das ACTH. Die negative biologische Rückkopplung zwischen der Hirnanhangdrüse und der Nebenniere ist verändert: Abfallende Serumkortisolwerte führen nicht mehr zu einer ausreichenden Ausschüttung von ACTH. Die Kortisolproduktion in der Nebenniere läuft buchstäblich im Leerlauf – bei Stress, Operationen oder einem Unfall wird ihre Produktion wegen des nicht erhöhten ACTH-Signals nicht gesteigert, sondern verharrt im Basismodus. Die Folge davon kann eine lebensbedrohliche Nebenniereninsuffizienz sein.

Ahnen Sie, an welchen Patienten wir jetzt denken? Genau, den Sportlehrer. Aber er nahm doch keine Schmerzmittel ein, werden Sie jetzt einwenden. Stimmt. Aber jetzt kam die Stunde der Detektive: Beim zweiten ambulanten Termin fragten wir gezielt nach der chronischen Einnahme von Schmerzmitteln, speziell Opioiden. Jetzt berichtete er, dass er seit seinem Motorradunfall chronisch Schmerzmittel, auch Opioide einnehme. Er habe uns dies verschwiegen, weil er nicht wollte, dass sein Arbeitgeber es erfahre; auch habe er keinen Zusammenhang mit seinen aktuellen Beschwerden und der Einnahme dieser Medikamente gesehen.

Patienten mit einem niedrigen Gesamttestosteron, einem normalen (im unteren Normbereich liegenden) freien Androgen-Index und normalen (im unteren Normbereich liegenden) Gonadotropinen.

In dieser Gruppe, für die der Begriff normogonadotroper Hypogonadismus gilt, finden sich alle Patienten, bei denen niedrige Konzentrationen für das Bindungsprotein des Testosterons (SHBG) vorliegen. Die größte Gruppe mit einem normogonadotropen Hypogonadismus sind die adipösen Männer. Und jetzt verstehen Sie auch, warum jeder dritte männliche Typ-2-Diabetiker einen Testosteronmangel aufweist. Zu einem Abfall des SHBG kann es auch unter Einnahme von Kortikosteroiden (wie Kortison) und im Rahmen einer Unterfunktion der Schilddrüse kommen.

Bei dieser Form des Hypogonadismus finden wir aber auch viele Männer, bei denen eine chronische Erkrankung auftritt oder seit längerem besteht. Bei diesen Männern steht nicht der Abfall der SHBG-Konzentration im Vordergrund, sondern die negative biologische Rückkopplung zwischen Hirnanhangdrüse und Hoden reduziert gemeinsam ihre Aktivität. Bei dieser sehr heterogenen Gruppe von Männern finden sich Patienten mit akuten/chronischen Erkrankungen oder auch nach größeren operativen Eingriffen.

Gleichfalls kann dauerhafter psychischer Stress bei Männern zu dieser Form des Hypogonadismus führen. Die größte Gruppe sind jedoch die vielen Männer im fortgeschrittenen Alter; bei ihnen besteht aber auch ein fließender Übergang in den oben erläuterten hypogonadotropen Hypogonadismus.

Wir denken, dass es für Sie leicht war, den Patienten mit dem Beruf des Metzgers dieser Form des Testosteronmangels zuzuordnen. Durch seine Adipositas war sein SHBG erniedrigt – und sein Diabetes mellitus und der berufliche Stress hatten aufgrund des oben Gesagten seinen Hypogonadismus verstärkt.

Schwerpunkt Testosteronmangel

Von Prof. Dr. med. Reinhard Zick

Kontakt:
Medicover MVZ, Osnabrück,
E-Mail: der.chef@mac.com

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (7) Seite 20-23

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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