Experten-Interview: Was tun bei schlechtem Schlaf durch Hypoglykämie-Angst?

4 Minuten

© eyetoeyePIX - iStockphoto
Experten-Interview: Was tun bei schlechtem Schlaf durch Hypoglykämie-Angst?

Einer der Gründe, warum viele Menschen mit Diabetes schlechter schlafen als Nichtdiabetiker, ist die Angst vor Unterzuckerungen in der Nacht. Über weitere Gründe und über schlechten Schlaf auch Jugendlicher mit Typ-1-Diabetes sprachen wir mit dem Experten PD Dr. med. Claudius Teupe.

Im Interview: PD Dr. med. Claudius Teupe

Privatdodzent Dr. med. Claudius Teupe ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und internistische Intensivmedizin. Er ist tätig als Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main und leitet dort zudem das Schlaflabor.

Diabetes-Journal (DJ): Ist der Schlaf von Menschen, die Diabetes haben, anders?

PD Dr. Claudius Teupe: Menschen mit Diabetes leiden häufiger an schlafbezogenen Atemstörungen wie dem obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Hierbei kommt es während des Schlafs durch wiederholten Kollaps der oberen Atemwege zu Atempausen mit Unterbrechungen der wichtigen Tiefschlafphasen. Auch eine Depression, die bei Diabetikern häufiger auftritt, kann zu einer Verschlechterung der Schlafqualität führen.

DJ: Welche Diabetiker sind häufiger betroffen als andere?

PD Dr. Teupe: Insbesondere Diabetiker mit Übergewicht sind öfter betroffen. Die Schlafqualität ist bei diesen Diabetikern häufig vermindert. Auch Diabetiker, die eine Therapie mit Insulin oder Tabletten benötigen, leiden häufiger unter Schlafstörungen.

DJ: Spielt die Angst vor Unterzuckerungen eine Rolle bei der Schlafqualität der Menschen mit Diabetes?

PD Dr. Teupe: Ja, die Angst vor einer Unterzuckerung spielt eine wichtige Rolle. Sie kann einen unruhigen und damit weniger erholsamen Schlaf zur Folge haben. Ungestörten Schlaf braucht der Körper aber, um sich zu regenerieren.

DJ: Wie zuverlässig werden bei gutem Schlaf nächtliche Unterzuckerungen von den Betroffenen selbst wahrgenommen? Oder sind es eher Angehörige, die sie merken?

PD Dr. Teupe: Symptome einer Unterzuckerung können u. a. Schweißausbruch, Heißhunger, Herzklopfen, Zittern, Krampfanfälle, Aggressivität oder auch Verwirrtheit bis hin zur Bewusstlosigkeit sein. Nächtliche Unterzuckerungen aber werden von den Betroffenen häufig nicht bemerkt. Hinweise auf eine Unterzuckerung im Schlaf können z. B. durchgeschwitzte Kleidung, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit sein. Auch Angehörige sollten diese Symptome kennen, um bei Symptomen einer Unterzuckerung Hilfe veranlassen zu können.

DJ: Wie zuverlässig kann jemand, der schlaftrunken ist und zu tiefe Werte hat, auf diese Unterzuckerungen reagieren?

PD Dr. Teupe: Bei schweren Unterzuckerungen kann sich der Betroffene unter Umständen aufgrund von Bewusstseinstrübung und Schlaftrunkenheit nicht mehr angemessen selbst helfen. Deshalb sollten Angehörige oder Personen aus dem persönlichen Umfeld über das Vorliegen eines Diabetes Bescheid wissen, um Hilfe geben oder den medizinischen Notdienst verständigen zu können.

DJ: Gibt es abgesehen von Hypoglykämien oder der Angst davor häufige andere Schlafbeeinträchtigungen jüngerer (Typ-1-)Diabetiker?

PD Dr. Teupe: Etwa ein Drittel aller jugendlichen Typ-1-Diabetiker leidet unter leichten Schlafstörungen. Obwohl Typ-1-Diabetiker seltener Atempausen im Schlaf aufweisen als Typ-2-Diabetiker, die oft zusätzlich ein Schlafapnoesyndrom haben, verbringen Typ-1-Diabetiker weniger Zeit in der erholsamen Tiefschlafphase als gleichaltrige, gesunde Jugendliche. Dies kann sich negativ auf die schulischen Leistungen und die Lebensqualität auswirken.

DJ: Wer ist vor allem von atembezogene Schlafbeschwerden betroffen?

PD Dr. Teupe: Insbesondere übergewichtige Typ-2-Diabetiker leiden häufig auch an einer obstruktiven Schlafapnoe. Hierbei kommt es, wie schon erwähnt, zu einem wiederholten Kollaps der oberen Atemwege, gekennzeichnet durch Schnarchen und Verminderung oder Aussetzen des Atemflusses. Die Folge ist ein Abfall der Sauerstoffsättigung des Blutes, der eine Alarmreaktion des Körpers auslöst. Hierdurch kommt es zu einer Unterbrechung des erholsamen Tiefschlafes. Die fehlende Erholung kann sich in einer zum Teil erheblichen Tagesmüdigkeit äußern.

DJ: Kann ungesunder Schlaf bei Diabetikern auch Diabetes-Folgeerkrankungen negativ beeinflussen?

PD Dr. Teupe: Erholsame Nachtruhe senkt den Insulinbedarf und verbessert die Blutzuckereinstellung. Bei einer schweren Schlafapnoe kann es pro Nacht mehrere hundert Weckreaktionen des Körpers geben, bei denen Stresshormone ausgeschüttet werden. Hoher Blutdruck, Gefäßverkalkung und Herzrhythmusstörungen können die Folge sein. Herzinfarkt und Schlaganfall treten bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe häufiger auf.

DJ: Gibt es weitere negative Folgen ungesunden Schlafes bei Diabetikern?

PD Dr. Teupe: Schlafstörungen sind Brandbeschleuniger des Diabetes. Ungesunder Schlaf hat negative Folgen für den Stoffwechsel und ist mit Glukose- und Insulin-Schwankungen verbunden. Studien zeigen, dass Schlafstörungen das Risiko, Übergewicht zu entwickeln, erhöhen.

DJ: Wie kann ich selbst leicht erkennen, ob ich ungesund schlafe?

PD Dr. Teupe: Menschen, die unter einem ungesunden Schaf leiden, stellen häufig fest, dass sie sich morgens nicht ausgeschlafen fühlen, mehr Kaffee brauchen oder häufiger Verspannungen und Kopfschmerzen haben. Die Erledigung alltäglicher Aufgaben ist erschwert, die Konzentrationsfähigkeit ist vermindert. Häufig besteht eine starke Einschlafneigung bei eintönigen Tätigkeiten.

DJ: Was können Diabetiker tun, um ihren Schlaf positiv zu beeinflussen?

PD Dr. Teupe: Diabetiker mit Angst vor nächtlichen Unterzuckerungen z. B. bei einer Insulintherapie sollten den Blutzucker vor dem Schlafengehen kontrollieren. Aber auch bei einem veränderten Lebensablauf (z. B. Sport am Abend oder weniger Essen) kann die Kontrolle des Blutzuckers vor dem Schlafengehen sinnvoll sein. Allgemein gilt: erst ins Bett gehen, wenn man sich müde fühlt, abendlichen Alkohol- und Koffeingenuss vermeiden, regelmäßige Schlafzeiten einhalten, lästige Lichtquellen und Lärmgeräusche beseitigen, Schlafepisoden am Tag kurz halten, intensive körperliche Aktivität kurz vor dem Schlafengehen vermeiden.

DJ: Welches ist das häufigste Missverständnis in Sachen ungesunder Schlaf?

PD Dr. Teupe: Viele Menschen glauben, dass Vollmond die Ursache für einen schlechten Schlaf sei. Schlafforscher können diesen Zusammenhang allerdings nicht belegen.

DJ: Herr Dr. Teupe, vielen Dank für das Gespräch.


Interview. Günter Nuber

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (9) Seite 24-25

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Umfrage für den dt-report 2026: Mitreden statt abwarten – jede Meinung ist wichtig

Jedes Jahr führt das Forschungsinstitut Diabetes Akademie Mergentheim (FIDAM) eine Umfrage durch, um unter anderem Menschen mit Diabetes zu Diabetes-Technologie zu befragen. Nun ist es wieder so weit: Jede und jeder kann mitmachen, um den dt-report 2026 mitzugestalten!
Umfrage für den dt-report 2026: Mitreden statt abwarten – jede Meinung ist wichtig | Foto: Hispanolistic – gettyimages

3 Minuten

Testosteron-Mangel und Typ-2-Diabetes: Männer mit Typ-2-Diabetes sollten ihren Testosteron-Wert kennen

Wenn der Testosteron-Spiegel immer weiter sinkt, kann es zu typischen Testosteron-Mangel-Symptomen wie Libidoverlust, Potenzstörungen, aber auch zu anderen untypischeren Symptomen wie Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Burn-out-Gefühl bis hin zu Depressionen kommen. Ein Testosteron-Mangel kann zudem das Entstehen eines Typ-2-Diabetes begünstigen.
Testosteron-Mangel und Typ-2-Diabetes: Männer mit Typ-2-Diabetes sollten ihren Testosteron-Wert kennen | Foto: Africa Studio – stock.adobe.com

2 Minuten

Anzeige

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • cesta postete ein Update vor 6 Tagen, 18 Stunden

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

Verbände