Experten-Interview: Was tun bei schlechtem Schlaf durch Hypoglykämie-Angst?

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Experten-Interview: Was tun bei schlechtem Schlaf durch Hypoglykämie-Angst?

Einer der Gründe, warum viele Menschen mit Diabetes schlechter schlafen als Nichtdiabetiker, ist die Angst vor Unterzuckerungen in der Nacht. Über weitere Gründe und über schlechten Schlaf auch Jugendlicher mit Typ-1-Diabetes sprachen wir mit dem Experten PD Dr. med. Claudius Teupe.

Im Interview: PD Dr. med. Claudius Teupe

Privatdodzent Dr. med. Claudius Teupe ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und internistische Intensivmedizin. Er ist tätig als Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main und leitet dort zudem das Schlaflabor.

Diabetes-Journal (DJ): Ist der Schlaf von Menschen, die Diabetes haben, anders?

PD Dr. Claudius Teupe: Menschen mit Diabetes leiden häufiger an schlafbezogenen Atemstörungen wie dem obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Hierbei kommt es während des Schlafs durch wiederholten Kollaps der oberen Atemwege zu Atempausen mit Unterbrechungen der wichtigen Tiefschlafphasen. Auch eine Depression, die bei Diabetikern häufiger auftritt, kann zu einer Verschlechterung der Schlafqualität führen.

DJ: Welche Diabetiker sind häufiger betroffen als andere?

PD Dr. Teupe: Insbesondere Diabetiker mit Übergewicht sind öfter betroffen. Die Schlafqualität ist bei diesen Diabetikern häufig vermindert. Auch Diabetiker, die eine Therapie mit Insulin oder Tabletten benötigen, leiden häufiger unter Schlafstörungen.

DJ: Spielt die Angst vor Unterzuckerungen eine Rolle bei der Schlafqualität der Menschen mit Diabetes?

PD Dr. Teupe: Ja, die Angst vor einer Unterzuckerung spielt eine wichtige Rolle. Sie kann einen unruhigen und damit weniger erholsamen Schlaf zur Folge haben. Ungestörten Schlaf braucht der Körper aber, um sich zu regenerieren.

DJ: Wie zuverlässig werden bei gutem Schlaf nächtliche Unterzuckerungen von den Betroffenen selbst wahrgenommen? Oder sind es eher Angehörige, die sie merken?

PD Dr. Teupe: Symptome einer Unterzuckerung können u. a. Schweißausbruch, Heißhunger, Herzklopfen, Zittern, Krampfanfälle, Aggressivität oder auch Verwirrtheit bis hin zur Bewusstlosigkeit sein. Nächtliche Unterzuckerungen aber werden von den Betroffenen häufig nicht bemerkt. Hinweise auf eine Unterzuckerung im Schlaf können z. B. durchgeschwitzte Kleidung, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit sein. Auch Angehörige sollten diese Symptome kennen, um bei Symptomen einer Unterzuckerung Hilfe veranlassen zu können.

DJ: Wie zuverlässig kann jemand, der schlaftrunken ist und zu tiefe Werte hat, auf diese Unterzuckerungen reagieren?

PD Dr. Teupe: Bei schweren Unterzuckerungen kann sich der Betroffene unter Umständen aufgrund von Bewusstseinstrübung und Schlaftrunkenheit nicht mehr angemessen selbst helfen. Deshalb sollten Angehörige oder Personen aus dem persönlichen Umfeld über das Vorliegen eines Diabetes Bescheid wissen, um Hilfe geben oder den medizinischen Notdienst verständigen zu können.

DJ: Gibt es abgesehen von Hypoglykämien oder der Angst davor häufige andere Schlafbeeinträchtigungen jüngerer (Typ-1-)Diabetiker?

PD Dr. Teupe: Etwa ein Drittel aller jugendlichen Typ-1-Diabetiker leidet unter leichten Schlafstörungen. Obwohl Typ-1-Diabetiker seltener Atempausen im Schlaf aufweisen als Typ-2-Diabetiker, die oft zusätzlich ein Schlafapnoesyndrom haben, verbringen Typ-1-Diabetiker weniger Zeit in der erholsamen Tiefschlafphase als gleichaltrige, gesunde Jugendliche. Dies kann sich negativ auf die schulischen Leistungen und die Lebensqualität auswirken.

DJ: Wer ist vor allem von atembezogene Schlafbeschwerden betroffen?

PD Dr. Teupe: Insbesondere übergewichtige Typ-2-Diabetiker leiden häufig auch an einer obstruktiven Schlafapnoe. Hierbei kommt es, wie schon erwähnt, zu einem wiederholten Kollaps der oberen Atemwege, gekennzeichnet durch Schnarchen und Verminderung oder Aussetzen des Atemflusses. Die Folge ist ein Abfall der Sauerstoffsättigung des Blutes, der eine Alarmreaktion des Körpers auslöst. Hierdurch kommt es zu einer Unterbrechung des erholsamen Tiefschlafes. Die fehlende Erholung kann sich in einer zum Teil erheblichen Tagesmüdigkeit äußern.

DJ: Kann ungesunder Schlaf bei Diabetikern auch Diabetes-Folgeerkrankungen negativ beeinflussen?

PD Dr. Teupe: Erholsame Nachtruhe senkt den Insulinbedarf und verbessert die Blutzuckereinstellung. Bei einer schweren Schlafapnoe kann es pro Nacht mehrere hundert Weckreaktionen des Körpers geben, bei denen Stresshormone ausgeschüttet werden. Hoher Blutdruck, Gefäßverkalkung und Herzrhythmusstörungen können die Folge sein. Herzinfarkt und Schlaganfall treten bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe häufiger auf.

DJ: Gibt es weitere negative Folgen ungesunden Schlafes bei Diabetikern?

PD Dr. Teupe: Schlafstörungen sind Brandbeschleuniger des Diabetes. Ungesunder Schlaf hat negative Folgen für den Stoffwechsel und ist mit Glukose- und Insulin-Schwankungen verbunden. Studien zeigen, dass Schlafstörungen das Risiko, Übergewicht zu entwickeln, erhöhen.

DJ: Wie kann ich selbst leicht erkennen, ob ich ungesund schlafe?

PD Dr. Teupe: Menschen, die unter einem ungesunden Schaf leiden, stellen häufig fest, dass sie sich morgens nicht ausgeschlafen fühlen, mehr Kaffee brauchen oder häufiger Verspannungen und Kopfschmerzen haben. Die Erledigung alltäglicher Aufgaben ist erschwert, die Konzentrationsfähigkeit ist vermindert. Häufig besteht eine starke Einschlafneigung bei eintönigen Tätigkeiten.

DJ: Was können Diabetiker tun, um ihren Schlaf positiv zu beeinflussen?

PD Dr. Teupe: Diabetiker mit Angst vor nächtlichen Unterzuckerungen z. B. bei einer Insulintherapie sollten den Blutzucker vor dem Schlafengehen kontrollieren. Aber auch bei einem veränderten Lebensablauf (z. B. Sport am Abend oder weniger Essen) kann die Kontrolle des Blutzuckers vor dem Schlafengehen sinnvoll sein. Allgemein gilt: erst ins Bett gehen, wenn man sich müde fühlt, abendlichen Alkohol- und Koffeingenuss vermeiden, regelmäßige Schlafzeiten einhalten, lästige Lichtquellen und Lärmgeräusche beseitigen, Schlafepisoden am Tag kurz halten, intensive körperliche Aktivität kurz vor dem Schlafengehen vermeiden.

DJ: Welches ist das häufigste Missverständnis in Sachen ungesunder Schlaf?

PD Dr. Teupe: Viele Menschen glauben, dass Vollmond die Ursache für einen schlechten Schlaf sei. Schlafforscher können diesen Zusammenhang allerdings nicht belegen.

DJ: Herr Dr. Teupe, vielen Dank für das Gespräch.


Interview. Günter Nuber

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (9) Seite 24-25

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  • tako111 postete ein Update vor 5 Stunden, 10 Minuten

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 1 Tag, 12 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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