- Behandlung
Gefährliches Risiko: Blutzucker entgleist bei sehr hohen Werten
5 Minuten
Unterzuckerungen als akute Komplikation sind vielen Menschen mit Diabetes vertraut. Aber auch bei sehr hohen Blutzuckerwerten kann nicht nur langfristig, sondern auch akut ein lebensbedrohliches Risiko entstehen. Dr. Schmeisl klärt daher auf über Ursachen, Formen und Lösungen für Werte, die entgleist sind.
Bei hohen Blutzuckerwerten kann es, wenn gleichzeitig ein Insulinmangel besteht, zu einer Übersäuerung des Körpers kommen: zu einer Ketoazidose. Meist extrem hohe Blutzuckerwerte können auch zu einem Austrocknen (Dehydratation) und zu Flüssigkeitsverschiebungen im Körper führen: Ein hyperglykämisches, hyperosmolares Koma ist die Folge. Beide Formen der Entgleisung bei hohen Glukosewerten stellen für Menschen mit Diabetes schwere Akutkomplikationen dar und müssen wie ein Notfall behandelt werden.
Im Gegensatz zu Unterzuckerungen (Hypoglykämien) stellen die extremen Überzuckerungen (Hyperglykämien) eher seltenere Ereignisse dar, die aber häufig zu spät oder gar nicht erkannt werden. Eins der Probleme: Bei etwa 40 Prozent der Erwachsenen, vor allem bei älteren Menschen, wird bei entsprechenden Symptomen oft gar nicht an einen neu aufgetretenen Typ-1-Diabetes gedacht. Aber auch bei jüngeren Menschen dauert es oft lange, bis ein neu auftretender Typ-1-Diabetes erkannt wird, und sich so eine Ketoazidose entwickelt.
Das Fallbeispiel: Ketoazidose bei Auftreten des Typ-1-Diabetes
Johanna H.,79 Jahre, früher Arzthelferin in einer Allgemeinarztpraxis, kennt sich mit Typ-1-Diabetes gut aus. Als ihre Tochter 12 Jahre alt war – sie waren gerade im Urlaub an der Nordsee –, nahm diese dort plötzlich an Gewicht ab, trank Unmengen an Waser, wirkte erschöpft und müde. Nach einem nicht erholsamen Urlaub zurück, wurden die Beschwerden nicht besser.
Der Hausarzt „entdeckte“ schließlich einen Typ-1-Diabetes als Ursache. Ihre Tochter wurde geschult und lernte, ihren Diabetes selbst zu managen. Heute hat sie keine Probleme damit.
Als Johanna H. vor zwei Jahren selbst im Spanien-Urlaub mit ihrer Freundin (ihr Ehemann war vor acht Jahren verstorben) ähnliche Symptome wie ihre Tochter mit 12 Jahren hatte (kraftlos, lustlos, Gewichtsabnahme, häufiges Wasserlassen, Durst), dachte sie kurz auch an die Diagnose Typ-1-Diabetes – aber in ihrem Alter?
Kurz nach der Rückkehr aus Spanien wurde sie jedoch immer schwächer und auch leicht benommen – ihre Freundin brachte sie ins Krankenhaus: Typ-1-Diabetes mit beginnender Ketoazidose. In ihrem hohen Alter noch an einem Typ-1-Diabetes zu erkranken, damit hatte sie nicht gerechnet.
Die diabetische Ketoazidose
Die diabetische Ketoazidose tritt typischerweise bei Menschen mit Typ-1-Diabetes auf, selten auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Sie entwickelt sich, wenn ein absoluter Insulinmangel besteht oder das Insulin im Körper nicht ausreicht, um genug Zucker aus dem Blut in die Zellen zu bringen. Es gibt unterschiedliche Ursachen (siehe Info 2). In Bezug auf die Blutzuckerwerte gibt es eine seltene Ausnahme: Unter der Therapie mit SGLT-2-Hemmern, einem Medikament primär für Menschen mit Typ-2-Diabetes, kann sich eine Azidose auch bei normalen Blutzuckerwerten entwickeln.
Bei Insulinmangel greift der Körper statt auf Glukose auf seine Fett-Reserven zurück, um seinen Energiebedarf zu decken. Die beim Abbau der Fette entstehenden Fettsäuren werden unvollständig zu Ketonkörpern (u. a. Azeton) abgebaut. Der Körper wird dann mit Ketonkörpern überschwemmt, was zu einer Übersäuerung führt – Ketone sind Säuren.
Häufige Ursachen einer Ketoazidose
relativer Mehrbedarf an Insulin:
- Medikamente, die den Blutzucker erhöhen, z. B. Kortison
- Infektionen, Fieber, Operationen, Schilddrüsenüberfunktion, Herzinfarkt usw.
- Erbrechen ohne Nahrungsaufnahme und deshalb reduzierte oder weggelassene Insulingaben
absoluter Mangel an Insulin:
- vergessene oder ausgelassene Insulin-Injektionen
- Stopp der Insulinzufuhr bei Insulinpumpen z. B. durch Katheterleck, abgeknickten Katheter, verstopften Katheter/verstopfte Kanüle
- Fehler bei der Insulin-Injektion, z. B. Injektionen in Lipohypertrophien (Fettgeschwülste an den Spritzstellen)
- Injektion von Luft statt Insulin durch Luftblasen in der Insulin-Patrone (Kanülen sollten deshalb nach jeder Injektion entfernt werden, sonst besteht die Gefahr, dass Luft in die Patrone gelangt)
- intensive körperliche Aktivität trotz beginnender Übersäuerung
Typische Befunde bei einer Ketoazidose
Man findet meist sehr hohe Blutzuckerwerte (über 250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l) und Ketonkörper in Blut und Urin. Um die Ketonkörper zu messen, gibt es bestimmte Blutzucker-Messgeräte, die auch das Messen von Ketonen ermöglichen. Auch Urintests mit entsprechenden Teststreifen sind verfügbar.
Typisch ist auch die Kußmaul-Atmung. Der Körper versucht, durch „Abatmen“ die sauren Stoffe im Körper „loszuwerden“. Man erkennt die Kußmaul-Atmung am sehr tiefen, rhythmischen Atmen. Benannt ist sie nach ihrem Erstbeschreiber, dem Mediziner Adolf Kußmaul. Außerdem riecht die Atemluft nach Azeton. Dieser Geruch ist oft faulig, fruchtig, süßlich – wie frische grüne Äpfel oder Nagellack-Entferner.
Die Warnzeichen Bauchschmerzen und Übelkeit werden häufig fehlinterpretiert. Im Urlaub denkt man z. B. zuerst an eine Magenverstimmung.
Neben den typischen Symptomen gibt es weitere Laborbefunde, die auf eine Ketoazidose hindeuten. Dazu gehören die Reduktion der Konzentrationen von Natrium und Kalium im Blut und ein niedriger pH-Wert im Blut durch die Übersäuerung (metabolische Azidose).
Symptome einer Ketoazidose
- Bauchschmerzen („Pseudo-Bauchfell-Entzündung“), Übelkeit, Brechreiz, ggf. Erbrechen
- vermehrtes Wasserlassen (Polyurie)
- starker Durst (Polydipsie)
- Azeton-Geruch in der Atemluft
- allgemeine Schwäche, Müdigkeit
- sehr tiefes, gleichmäßiges Atmen
- Verwirrtheit, Schläfrigkeit, ggf. Eintrübung
So wird die Ketoazidose behandelt
Gut geschulte Menschen mit Typ-1-Diabetes, die in der Ketoazidose noch bei klarem Bewusstsein sind, können eine beginnende Ketoazidose meist selbst mit Insulin behandeln. Die gleichzeitige Gabe von Kalium, z. B. als Brause-Tablette, ist eine der wichtigsten zusätzlichen Maßnahmen, um den Kalium-Mangel im Blut auszugleichen. Gefährliche Herzrhythmus-Störungen können ansonsten die Folge sein.
Wichtig ist auch die Flüssigkeitszufuhr in Form von Wasser oder anderen kohlenhydrat- und kalorienfreien Getränken. Mindestens ein Liter pro Stunde wird empfohlen.
Die Menge des Insulins richtet sich nach der Schwere der Ketoazidose (siehe auch „Mehr online“). Bei Blut-Ketonwerten zwischen 0,6 und 1,5 mmol/l korrigiert man zunächst mit dem einfachen Korrekturfaktor, bei Blut-Ketonwerten über 1,5 mmol/l mit dem doppelten Korrekturfaktor.
Ursachen wie eine nicht funktionierende Insulinpumpe bzw. ein nicht funktionierender Katheter, ein defekter Pen oder eine defekte Insulin-Patrone im Pen usw. müssen immer als Erstes ausgeschlossen werden. Bei einer Therapie mit Insulinpumpe ist deshalb bei einer Ketoazidose ratsam, das Korrektur-Insulin mit einem Insulinpen oder einer Einmalspritze zu spritzen. Ist der Insulinpen defekt, kommt ebenfalls ein Ersatzpen oder eine Einmalspritze zum Einsatz. Ist wegen der Ketoazidose z. B. bei Bewusstseins-Trübung oder nicht beherrschbarer Werte eine Aufnahme im Krankenhaus nötig, erfolgt dort in der Regel die Insulingabe in die Vene.
Mehr dazu auf dem Diabetes-Anker:
Ein Schema zur Therapie der Ketoazidose zu Hause
Die hyperglykämische, hyperosmolare Entgleisung
Ein Entgleisen des Blutzuckers nach oben mit Werten über 600 bis 1000 mg/dl bzw. 33,3 bis 55,6 mmol/l und mehr sieht man gelegentlich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Dieser Zustand entwickelt sich in der Regel langsam über mehrere Tage. Meistens findet man keine Ketonkörper in Blut oder Urin, selbst bei sehr hohen Blutzuckerwerten. Die Erklärung ist, dass der Körper oft noch kleine Mengen Insulin produziert, wodurch der Fettabbau und damit die Bildung von Ketonkörpern verhindert wird.
Bei einer durch die hohen Blutzuckerwerte fortschreitenden Insulin-Unempfindlichkeit (Insulinresistenz) kommt es zu einer immer schlechteren Verwertung des Zuckers im Blut. Gleichzeitig bildet die Leber oft ungezügelt Zucker neu, da der „Gegenspieler“ des Insulins, das Hormon Glukagon, überwiegt, um zu versuchen, den Mangel an Energie in den Zellen auszugleichen. Dieses führt dazu, dass die Blutzuckerwerte immer weiter ansteigen. Die hohen Werte sind begleitet durch einen massiven Verlust an Flüssigkeit, wodurch zunehmend Verwirrtheit auftritt. Ein hyperosmolares Koma ist entstanden. Hyperosmolar bedeutet, dass ein hoher Anteil an gelösten Substanzen im Blut, z. B. Zucker, vorliegt.
Auslöser der hyperosmolaren Entgleisung sind oft meist harmlose Infektionen. Aber auch Medikamente wie Kortison, die wegen eines Asthmas oder einer Rheuma-Erkrankung gegeben werden müssen, können Auslöser sein. Um das Risiko einer derartigen Entgleisung zu verringern, sollten auch Menschen mit Typ-2-Diabetes insbesondere während fieberhafter Erkrankungen ihren Blut- bzw. Gewebezucker selbst zu Hause messen können.
Häufige Beschwerden und Befunde beim hyperosmolaren Koma
- extrem hoher Blut-/Gewebezucker zwischen 600 und 1000 mg/dl bzw. 33,3 und 55,6 mmol/l oder mehr
- keine Ketone im Urin
- hoher Kreatinin-Wert im Blut
- möglicherweise Veränderungen der Konzentrationen der Blutsalze
- extremer Durst, oft werden fünf bis zehn Liter oder mehr Flüssigkeit am Tag getrunken
- trockene Haut
- manchmal Muskelkrämpfe
- Sehstörungen und Schwindel
- zunehmende Verwirrtheit bis zu Schläfrigkeit, Desorientiertheit
So wird das hyperosmolare Koma behandelt
Die Behandlung des hyperglykämischen, hyperosmolaren Zustands oder Komas erfolgt wegen des potenziell tödlichen Verlaufs in der Klinik. Die Sterblichkeit ist im Vergleich zum diabetischen ketoazidotischen Koma deutlich höher: unter einem Prozent bei einer Ketoazidose bei Typ-1-Diabetes, bis zu 20 Prozent bei einem hyperosmolaren Koma bei Typ-2-Diabetes.
Zusammenfassung
Eine diabetische ketoazidotische Entgleisung kann trotz optimalen Umgangs mit dem eigenen Diabetes auftreten. Es ist deshalb wichtig, immer mal wieder zu rekapitulieren, was in einem solchen Fall zu tun ist, um dann richtig zu reagieren.
Der hyperosmolare Zustand bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist potenziell sehr gefährlich. Das Verhindern wäre sicher durch bessere Aufklärung und die Möglichkeit, regelmäßig den Blut- oder Gewebezucker messen zu können, oft möglich. Regelmäßige Schulungen dazu sollten gerade bei älteren Menschen mit Diabetes daher nicht vernachlässigt werden. Betreuende Personen in Heimen oder auch Angehörige sollten in die Schulungen einbezogen werden, um bei Bedarf helfen zu können.
von Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (8/9) Seite 34-37
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bloodychaos postete ein Update vor 1 Tag, 18 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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ole-t1 antwortete vor 1 Tag, 13 Stunden
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 1 Tag, 8 Stunden
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
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loredana postete ein Update vor 3 Tagen, 15 Stunden
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
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