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Bei Sexual-Störungen denken viele wahrscheinlich erst einmal an die erektile Dysfunktion bei Männern. Aber das reduziert das Problem, denn es gibt mehr Symptome. Und auch bei Frauen treten Störungen der Sexualität in vielfältiger Weise auf.
Peter K., 62 Jahre alt, hat seit 16 Jahren einen Typ-2-Diabetes. Nach langem Zögern nimmt er seit etwa sechs Monaten auf Anraten seines Urologen regelmäßig die kleinste Dosis Cialis – wegen Problemen beim Wasserlassen bei neu entdeckter Vergrößerung der Prostata. Tatsächlich konnte er zunehmend besser wasserlassen. Quasi nebenbei besserten sich aber auch seine Erektions-Störungen, über die er lange nicht sprechen wollte, unter diesem Medikament ebenfalls deutlich. Dies vertraute er seinem Urologen bei einer der nächsten Untersuchungen an.
Dieser riet ihm, sich auch einmal gründlich von seinem Hausarzt oder Kardiologen bezüglich möglicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersuchen zu lassen. Denn bei seinem massiven Übergewicht (120 kg bei einer Größe von 1,76 m) und einer eher inaktiven Lebensweise – Peter K. betreibt kaum Sport – könnten seine Erektions-Störungen indirekt auch ein Hinweis auf Durchblutungs-Störungen am Herzen sein. In Anbetracht seiner in den letzten Wochen zunehmenden Luftnot, besonders beim Treppensteigen, und einem gelegentlichen Ziehen in der Brust wollte er diesen Vorschlag zügig umsetzen.
Sexual-Störungen beim Diabetes werden meist auf die Erektions-Störung des Mannes, die erektile Dysfunktion, reduziert. Entgegen dieser Meinung treten Sexual-Störungen sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit Diabetes auf.
Obgleich heutzutage schon im Fernsehen zu den besten Sendezeiten sowohl über Erektions-Störungen bei Männern und deren Therapie als auch über Scheidentrockenheit mit Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und deren Behandlung offen gesprochen wird, sind diese Sexual-Störungen im praktischen Alltag oft noch ein Tabu-Thema. Mittlerweile ist zwar vielen Männern bekannt, dass Erektions-Störungen ein Vorbote einer schweren Durchblutungs-Störung der Herzkranzgefäße sein können – aber sie wagen erst spät, über dieses Thema zu sprechen.
In Studien der letzten Jahre (ONTARGET/TRANSCEND) zeigte sich, dass das Risiko bei Männern mit erektiler Dysfunktion, vorzeitig zu sterben, etwa doppelt so hoch war wie bei Männern ohne erektile Dysfunktion. Ebenso hoch war das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben. Je ausgeprägter die Erektions-Störung war, desto höher war das Risiko.
Das Risiko für eine Erkrankung an den Herzkranzgefäßen bei Menschen mit Diabetes wird, wie die Studien zeigen, leider oft unterschätzt. Deshalb ist es wichtig, dass Ärzte, aber auch die Betroffenen selbst, Erektions-Störungen bei Männern und dem Libido-Verlust bei Frauen mehr Beachtung schenken, da insbesondere die Erektions-Störungen lange vor dem Herzinfarkt auftreten. Betroffene sollten deshalb keine Hemmungen haben, in der Diabetes-Sprechstunde über Sexual-Störungen zu sprechen. Bestehen Hinweise auf eine erektile Dysfunktion, sollte auch gezielt auf Symptome geachtet werden, die eine Herz-Erkrankung vermuten lassen, wie
Die Häufigkeit sexueller Funktions-Störungen bei Frauen reicht je nach Studie bis zu 71 Prozent, unabhängig vom Diabetes-Typ. Laut einer Studie aus Toronto sprechen Frauen in etwa 70 Prozent von sich aus mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin über ihr Problem – genauso viele wollen aber auch, dass die Initiative von der Ärztin oder dem Arzt ausgeht.
Neben der diabetischen Neuropathie können auch Durchblutungs-Störungen des Genital-Bereichs durch eine Gefäß-Verkalkung (Arteriosklerose) auftreten und das Empfinden stören. Eine unbefriedigende Situation des Glukose-Stoffwechsels kann darüber hinaus zu Infektionen im Genital-Bereich führen. Manche fürchten auch Unterzuckerungen beim Sex, ebenso können begleitende Erkrankungen wie Depressionen und Angst verhindern, dass Frauen sich wohlfühlen beim Sex. Auch Medikamente, die z. B. zur Behandlung eines Bluthochdrucks oder einer koronaren Herzkrankheit (KHK) sinnvoll sind (z. B. Beta-Blocker, Alpha-Blocker), können dazu beitragen. Therapeutisch sollte man nach den Ursachen forschen und handeln, z. B.:
Medikamente, die die Lust auf Geschlechtsverkehr steigern, wurden und werden immer wieder getestet – zufriedenstellend sind ihre Effekte meist nicht. Man wendet sich besser an einen Gynäkologen/eine Gynäkologin seines Vertrauens, ggf. auch an einen Sexualtherapeuten bzw. erfahrenen Diabetologen/erfahrene Diabetologin.
In der großangelegten UroEDIC-Studie zeigt sich, dass rund 45 Prozent der Männer mit Insulintherapie schon im mittleren Lebensalter unter erektiler Dysfunktion leiden. 60- bis 75-Jährige mit Diabetes leiden sogar dreimal so oft daran wie Gleichaltrige ohne Diabetes. Bei zufriedenstellenden Blutzuckerwerten reduziert sich das Risiko um etwa 40 Prozent im Vergleich zu Männern mit Diabetes, die bereits Augen- und Nieren-Schäden haben. Mit einem Anstieg des HbA1c steigt das Risiko für Erektions-Störungen auch: in zehn Jahren um etwa 30 Prozent pro 1 Prozentpunkt HbA1c- Anstieg.
In diesem Zusammenhang ist auch eine gute Einstellung des Blutdrucks zu nennen: In der UroEDIC-Studie haben Menschen mit Typ-1-Diabetes und einem Blutdruck von 120/80 mmHg im Vergleich zu einem Blutdruck von 140/90 mmHg ein um 40 Prozent geringeres Risiko für eine erektile Dysfunktion. Bei einem höheren Blutdruck als 140/90 mmHg war das Risiko doppelt so hoch wie bei 120/80 mmHg.
Die gute Nachricht: Bei jedem zehnten Menschen mit Typ-1-Diabetes war trotz eines langen Erkrankungsverlaufs die erektile Dysfunktion innerhalb von sieben Jahren wieder weg, wenn in dieser Zeit die Blutzucker- und die Blutdruckwerte konsequent normnah bzw. im Normbereich waren. Die Wahrscheinlichkeit, eine erektile Dysfunktion zu bekommen, scheint auch abhängig zu sein vom Diabetes-Typ und auch von den Untertypen bei Typ-2-Diabetes.
Es stehen verschiedene Möglichkeiten für die Behandlung der erektilen Dysfunktion zur Verfügung. Die Partner sollten gemeinsam, nach entsprechenden Gesprächen, über die eingesetzte Therapie entscheiden. Grundlegende Maßnahmen sind:
Hinzu kommen Medikamente oder technische Hilfsmittel wie
Als Potenzmittel bezeichnete Medikamente wie Viagra, Cialis, Levitra oder Spedra führen zu einer Weitstellung der Blutgefäße der glatten Muskulatur am Penis, sodass sie sich füllen können und der Penis steif wird. Die Weitstellung der Blutgefäße kann auch an inneren Organen wie den Herzkranzgefäßen erfolgen, wodurch der Blutdruck absinken kann. Deshalb sollten diese Medikamente nicht zusammen mit z. B. Nitro-Spray oder Molsidomin eingenommen werden, weil dann das Risiko eines Kreislauf-Kollapses besteht. Sprechen Sie darüber auf jeden Fall mit Ihrem behandelnden Arzt.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (11) Seite 32-35
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