Umfrage zu Hypos, Messen, Alltag: über 2.000 Leser berichten

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Leben mit Diabetes Online-Umfrage unter Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes
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Umfrage zu Hypos, Messen, Alltag: über 2.000 Leser berichten

Wie man Blutzuckerentgleisungen behebt – das war das Titelthema im Juni. Wir hatten dabei aufgerufen zur Teilnahme an einer Umfrage mit der Ankündigung: „Umfragen im Diabetes-Journal hatten es schon immer in sich!“ Wir haben nicht zu viel versprochen: 2 033 Leser machten mit und sagten uns, wie häufig sie messen, unterzuckern oder ziemlich hohe Werte haben.

Wie ergeht es Menschen, die Diabetes haben, im Alltag? Wie gut gelingt es Diabetikern, riskante Werte zu vermeiden? Wen könnte man besser fragen als Leser des Diabetes-Journals: Hierunter finden sich langjährig Erfahrene und richtige Diabetes-Profis genauso wie gelegentliche Kiosk-Käufer, Online-Leser … oder Menschen, die das Diabetes-Journal zum ersten Mal in Händen halten.

Grundsätzlich gilt: Die meisten Teilnehmer an der Umfrage haben langjährige Diabetes-Erfahrung. Und noch eines sollten Sie beim Lesen der folgenden Ergebnisse bedenken: Mehr Typ-1- als Typ-2-Dia­betiker haben sich beteiligt, 57 Prozent zu 43 Prozent – das ist völlig anders als im richtigen Leben, in dem Menschen mit Typ-2-Diabetes über 95 Prozent ausmachen. So viel vorweg.

Diabetestherapie: Standards und Unwägbarkeiten

Moderne Diabetes-Schulung, Blutzucker-Selbstkontrolle mit teils modernsten Gerätschaften, Diabetes-Behandlung beim Diabetologen – das ist heute für viele der Standard ihrer Diabetes-Behandlung; wir haben hochwertige Medikamente, Insulinpens und Blutzuckermessgeräte – sollte das alles zusammen nicht ermöglichen, seinen Diabetes zu beherrschen, gute HbA1c-Werte zu haben? Und möglichst wenige Ausreißer der Blutzuckerwerte nach unten (Hypoglykämien) und nach oben (300 mg/dl bzw. 16,7 mmol/l)?

Bloggerin Ilka Gdanietz bringt es auf den Punkt: „Jeder Tag mit Diabetes ist anders, keiner gleicht dem anderen. Und was gestern funktioniert hat, kann heute wieder total nach hinten los gehen. So ist das mit Diabetes. Eigentlich habe ich jeden Tag so meine speziellen Diabetes-Momente.“ Wie sieht es also aus bei den Diabetes-Journal-Lesern? Wir haben über 2.000 ausgefüllte Fragebögen – und damit eine aussagekräftige Datenbasis der Leser!

Zum Verständnis

2.033 Leser beteiligten sich an der Umfrage. Aber nicht jeder Umfrageteilnehmer hat jede Frage beantwortet. Und manche Teilnehmer haben bei Fragen mehr als eine Antwort gegeben. So kommt es, dass die absolute Zahl bei den verschiedenen Fragestellungen variiert. In den Grafiken haben wir die Zahlen gerundet.

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Wer hat an der Umfrage teilgenommen?

Die Umfrageteilnehmer haben ein Durchschnittsalter von 56,2 Jahren und bringen durchschnittlich 21,2 Jahre Diabetes-Erfahrung mit. Dabei leben die Typ-1-Diabetiker (1.139) mit einem Durchschnittsalter von 49,6 Jahren bereits 24,7 Jahre mit ihrem Diabetes, die Typ-2-Diabetiker (847) mit einem Durchschnittsalter von 65,0 Jahren auch schon 16,4 Jahre.

Ist Blutzucker-Selbstkontrolle ein ­Behandlungsstandard?

98,7 Prozent der Umfrageteilnehmer machen Blutzucker-Selbstkontrolle – und selbst bei den 215 nichtinsulinspritzenden Teilnehmern sind es nur 19 Leser, die keine Selbstkontrolle des Blutzuckers durchführen. Insgesamt 92 Prozent der Teilnehmer messen durchschnittlich 5,4-mal täglich ihren Blutzucker, 6 Prozent geben an, ihren Blutzucker im Durchschnitt 4-mal wöchentlich zu messen. Sieht man sich nur die Typ-1-Diabetiker an, so messen diese in der Natur der Sache liegend häufiger, und zwar 6,3-mal täglich.

75 Prozent der Umfrageteilnehmer benutzen ein Blutzuckermessgerät, 17 Prozent sogar mehrere. 3,7 Prozent verwenden kontinuierliche Glukosemessung (CGM) und 3,8 Prozent das neue Flash Glukose Monitoring (FGM, dazu später mehr). Sieht man sich hier nur die Typ-1-Diabetiker an, so verwenden diese zu 21 Prozent mehrere Messgeräte, 5,3 Prozent CGM und 6,5 Prozent FGM.

Typ-1-, Typ-2-Diabetes: Welche Therapie?

Von den 1 138 Umfrageteilnehmern, die angeben, Typ-1-Diabetes zu haben und Angaben zu ihrer Therapie machen, praktizieren genau gleich viele eine intensivierte Insulintherapie (ICT) und eine Insulinpumpentherapie: jeweils 49 Prozent! 1,8 Prozent behandeln sich mit einer konventionellen Insulintherapie (CT). Bei den Typ-2-Diabetikern verwenden 43 Prozent Tabletten und Insulin, 31 Prozent nur Insulin, 21 Prozent nur orale Antidiabetika, 5 Prozent weder Tabletten noch Insulin und 16 Personen (1,9 Prozent) eine Insulinpumpe.

Sind Menschen mit Diabetes geschult?

Eine Schulung mitgemacht haben 90 Prozent, dabei haben 59 Prozent bereits mehrfach eine strukturierte Schulung besucht (im Durchschnitt ­3,7-mal) – andererseits haben 10 Prozent der ­Typ-1- und 11 Prozent der Typ-2-Diabetiker bisher keine strukturierte Schulung besucht!

Die Schulung ist nach diesen Zahlen die Domäne der Schwerpunktpraxis: 67 Prozent absolvierten dort ihren letzten Schulungskurs. Selbst von den Typ-2-Diabetikern besuchten nur 8 Prozent den Schulungskurs beim Hausarzt. Für uns überraschend: Ein Drittel der Leser gaben an, dass ihr letzter Schulungskurs stationär stattfand, also in einem Krankenhaus oder in einer Rehaklinik!

Auch bezüglich der Diabetesbehandlung selbst ist die Schwerpunktpraxis für Typ-1-Dia­betiker von größter Bedeutung (85 Prozent); dies zeigen auch die Zahlen der Leser mit Typ-2-Diabetes (68 Prozent).

Und wie gut ist die Einstellung?

Beim Blutzuckerlangzeitwert HbA1c liegt der Durchschnitt über alle Antworten bei 7,15 Prozent. Dabei liegen die Ergebnisse bei Typ-1-Diabetes (ebenfalls 7,15 Prozent) und Typ-2-Diabetes (7,12) erstaunlich nah beieinander!

Häufiger Hypoglykämien mit Fremdhilfe – bei gleichem HbA1c!

Bei Patienten, die in den vergangenen 3 Jahren Unterzuckerungen mit Bewusstlosigkeit hatten (215 Teilnehmer, also immerhin 11 Prozent der Befragten), war die Blutzuckereinstellung gemessen am HbA1c nicht anders als im Gesamtkollektiv. Allerdings fanden sich bei den Menschen mit schweren Unterzuckerungen 20 Prozent häufiger Werte über 300 mg/dl (16,7 mmol/l), die dreimal so oft ärztliche Behandlung erforderten.

Dies liegt wohl daran, dass bei diesen Betroffenen die Blut­zuckerschwankungen sehr stark sind, was durch das HbA1c nicht ersichtlich ist; sie messen häufiger, haben öfter ein kontinuierliches Messsystem oder ein Flash Glukose Monitoring. Sie werden auch mehr als andere in diabetologischen Schwerpunktpraxen betreut.

CGM und FGM: Was bringen neue Technologien?

Von den 1.139 Typ-1-Diabetikern nutzen, wie gesagt, 133 CGM bzw. FGM. Dabei nutzen sie zur Zuckerselbstkontrolle das System zu nahezu 100 Prozent. Darüber hinaus tätigen sie Blutzuckermessungen in etwa 15 Prozent, was sicher mehrheitlich auf die notwendigen Kalibrierungsmessungen für die CGM-Systeme zurückzuführen ist.

Nutzer der neuen Technologien haben einen besseren HbA1c-Wert (6,8 Prozent) als das Gesamtkollektiv der Typ-1-Diabetiker. Allerdings schwanken die Blutzuckerwerte stärker bei den Nutzern von CGM/FGM; dies erklärt sich wohl dadurch, dass bisher die neuen Systeme nur im Einzelfall von Krankenkassen erstattet werden – und die häufigste Indikation für die Erstattung schwankende Blutzuckerwerte sind.

Die Blutzuckerinstabilität von Diabetikern, die mit einem CGM/FGM-System arbeiten, erklärt sich auch aus der Tatsache, dass diese häufiger zur Therapieoptimierung einschließlich Schulung in Spezialkliniken eingewiesen wurden (44,6 gegenüber 35,9 Prozent).

Auffällig ist, dass CGM/FGM-Nutzer in Bezug auf alle jemals durchgeführten Schulungen offenbar seltener geschult wurden: 15 Prozent gaben an, niemals an einer strukturierten Schulung teilgenommen zu haben, während die Gesamtheit der Diabetiker dies nur in 10 Prozent der Fälle angab.

Die neuen Technologien erleichtern die Selbstkontrolle, so dass Menschen mit Diabetes, die über ein CGM- oder FGM-System verfügen, häufiger ihren Stoffwechsel kontrollieren. Außerdem scheinen diese Nutzer neuen technischen Möglichkeiten gegenüber aufgeschlossener zu sein, denn sie nutzen 10 Prozent häufiger als andere ein Smartphone mit einer Diabetes-App.

In einer der folgenden Ausgaben beleuchten wir weitere Teilaspekte der Umfrage.


von Prof. Dr. Thomas Haak, Günter Nuber und Dr. Herbert Hillenbrand

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