Klinikbesuch: Wenn Angst ein schlechter Ratgeber ist…

3 Minuten

Klinikbesuch: Wenn Angst ein schlechter Ratgeber ist…

Viele Menschen wägen derzeit ab: Ist es gefährlicher, mit einem schlecht eingestellten Diabetes zu leben – oder ist es gefährlicher, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen? Diabetes-Journal-Chefredakteur Prof. Thomas Haak hat eindeutige Empfehlungen für Sie.

Dieser Beitrag ist eine Vorabveröffentlichung aus der Februar-Ausgabe des Diabetes-Journals, die am Freitag, 29. Januar 2021 erscheint.

Das Diabetes-Journal bekommen Sie im Kirchheim-Shop, als ePaper sowie an Kiosken auf Flughäfen und Bahnhöfen.

Angst ist eines der unangenehmen Gefühle – obwohl sie ganz natürlich ist und uns Menschen davor schützt, unbedacht Risiken einzugehen. Damit ist Angst eigentlich etwas Gutes. Im Gegensatz dazu ist grundlose Angst ein Zustand, der die Lebensqualität sehr negativ beeinträchtigen kann. Angst gilt sogar als ernst zu nehmende Erkrankung, die behandelt werden muss, wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt.

Derzeit macht uns die Corona-Pandemie viel Angst. Wir leben mit dem Virus namens SARS-CoV-2 seit gut einem Jahr. Viele von uns haben zu Anfang das Risiko einer „Corona-Infektion“ bagatellisiert. Doch die Pandemie hat uns gelehrt, dass sie bei den einen harmlos verläuft, bei vielen anderen aber gefährlich werden kann. Wer nun selbst erkrankt, der möchte natürlich gern zu denen gehören, bei denen die Krankheit harmlos verläuft – und danach durch die erworbene Immunität geschützt sein.

Doch was passiert, wenn man erkrankt und zu der Gruppe gehört, bei denen die Erkrankung schwer verläuft? Das weiß man eben nicht, und das macht uns Angst, die nicht wegzudiskutieren ist.

Irrationale Angst kann sehr gefährlich werden

Für viele bedeutet diese Angst, dass man nun alles vermeidet, was das Ansteckungsrisiko erhöht. Manche bleiben nur noch im Haus – oder sitzen allein im eigenen Pkw mit einer Schutzmaske: Angst kann auch irrational sein. Irrationale Angst kann sehr gefährlich werden. Wir sehen das in unseren Krankenhäusern: Viele Menschen nehmen Behandlungen derzeit einfach nicht wahr, weil sie Angst haben, sich im Krankenhaus zu infizieren. Planbare Operationen werden abgesagt, verschoben. Das mag bei einer Kniegelenk-OP problemlos möglich sein (dann muss man eben noch Monate mit Schmerztabletten weiterlaufen).

Lebensgefährlich wird es aber, wenn man aus Angst vor einer Infektion auch bei womöglich schwerwiegenden Erkrankungen die Klinik meidet: So erleben viele Hausärzte, dass Patienten einen Herzinfarkt erlitten haben und nicht in die Klinik gegangen sind.

Auch viele Menschen mit Diabetes meiden derzeit den Besuch beim Diabetologen oder eine notwendige Krankenhausbehandlung. Wir sehen das bei uns im Diabetes Zentrum Mergentheim so oft wie nie zuvor. Dabei erleben wir auch, wie uns Menschen mit einer sehr schlechten Blutzuckereinstellung und mit Folgeschäden meiden – eben aus Angst vor einer Corona-Infektion. Hier heißt es abwägen: Ist es gefährlicher, mit meinem schlecht eingestellten Diabetes zu leben – oder ist es gefährlicher, mich im Krankenhaus behandeln zu lassen?

Angst überwinden, um die Gesundheit zu schützen

Mein Blickwinkel: Ein schlecht eingestellter Diabetes, eine gefährliche Folgeerkrankung erhöhen das Risiko für einen ungünstigen Ausgang einer Corona-Infektion immens. Das Risiko, sich bei einem guten Hygienekonzept in einer Klinik zu infizieren, ist hingegen klein. Ich empfehle allen Menschen, die eine ärztliche Behandlung z. B. in einem Krankenhaus dringend benötigen:

Schauen Sie sich das Hygienekonzept der Klinik gut an – bei uns werden z. B. am Aufnahmetag Corona-Abstriche durchgeführt. Und die angereisten Patienten gehen für einen Tag bis zum Vorliegen des negativen Test-Ergebnisses in Quarantäne. Abstandsregeln und Mund-Nase-Schutz sowie FFP2-Masken bei den Behandlern sind selbstverständlich. Dort, wo man sich gegenübersitzt, z. B. beim Essen, trennen Plexiglaswände.

So gesehen rate ich jedem, der einer Behandlung bedarf, sich nicht aus Angst vor einer Infektion zu verkriechen und so seine Gesundheit zu riskieren. Das Risiko, sich außerhalb einer Klinik zu infizieren, ist viel höher als bei den strengen Hygienerichtlinien in den meisten Arztpraxen und Kliniken. Überwinden Sie die Angst, und riskieren Sie nicht Ihre Gesundheit.


Autor:

Prof. Dr. Thomas Haak
Chefredakteur Diabetes-Journal
Chefarzt Diabetes Zentrum Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Straße 12
97980 Bad Mergentheim

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (2) Seite 36

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Gesund und nachhaltig fürs Klima – Interview mit Prof. Thürmann

Prof. Dr. Petra Thürmann vom Helios Universitätsklinikum Wuppertal war maßgeblich an der „5. Stellungnahme des ExpertInnenrats ‚Gesundheit und Resilienz‘ – Klimawandel und Gesundheit: Zusammen Denken, Systemgrenzen Überwinden“ beteiligt.
Gesund und nachhaltig fürs Klima – Interview mit Prof. Thürmann | Fotos: CYBERUSS, Rstm, epiximages, Dmytro Synelnychenko – stock.adobe.com / Collage: Susanne Ischner – MedTriX

2 Minuten

Veränderte Wirkung bei hohen Temperaturen: Auch Medikamente brauchen „hitzefrei“

Menschen mit Diabetes sollten während einer Hitzeperiode besonders gut auf sich achtgeben, denn hohe Temperaturen können ihnen merklich zusetzen. Ein Risikofaktor neben vielen weiteren ist die Arzneimittel-Therapie. Befolgt man ein paar Tipps, kommt man hoffentlich gut durch die heißen Tage.
Veränderte Wirkung bei hohen Temperaturen: Auch Medikamente brauchen „hitzefrei“ | Foto: Deagreez - gettyimages

3 Minuten

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen