GdB 50 plus Merkzeichen H: Recht auf Status einer Schwerbehinderung?

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GdB 50 plus Merkzeichen H: Recht auf Status einer Schwerbehinderung | Foto: von blende11.photo – stock.adobe.com
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GdB 50 plus Merkzeichen H: Recht auf Status einer Schwerbehinderung?

Wann steht Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 plus Merkzeichen H zu? Dies wurde vom Bundessozialgericht nun konkretisiert. Gibt es einen finanziellen Ausgleich für die erhebliche Beeinträchtigung der Teilhabe? Was muss veranlasst werden?

Der Grad der Behinderung (GdB) ist das Maß für die Beeinträchtigung eines Menschen an der Teilhabe am Leben. Es geht um die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen aufgrund eines Gesundheits-Schadens.

Anhand der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) wird der GdB in einem Maßstab von 0 bis 100 bewertet, wobei ein GdB von mindestens 50 als Schwerbehinderung gilt. Außerdem können bestimmte Merkzeichen anerkannt werden.

GdB 50: die Voraussetzungen

Ein GdB von 50 liegt demnach vor bei an „Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind“.

Der erste Teil dieser Voraussetzung ist im Prinzip bei fast jedem Kind mit Typ-1-Diabetes gegeben. Fraglich (und strittig) ist jedoch oft die Frage nach den gravierenden Einschnitten in der Lebensführung.

Grad der Behinderung
  1. Kindern mit Typ-1-Diabetes steht nicht automatisch ein GdB 50 zu, er kann ihnen aber zustehen.
  2. Für die Feststellung müssen Einschränkungen in der Lebensführung nachgewiesen werden.
  3. Bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres wird stets Hilflosigkeit angenommen.

Neues Urteil bringt Rechtssicherheit

In dieser Frage hat das Bundessozialgericht (BSG) nun in einer Entscheidung vom 12.12.2024 (B 9 SB 2/24 R) erstmals konkrete Kriterien benannt. Im Folgenden werden die entsprechenden Faktoren aufgeführt, sodass nun hier Rechtssicherheit vorliegt: Allein die Einschnitte, die mit der Insulintherapie zwangsläufig verbunden sind, genügen nicht.

Ein GdB von 50 erfordert vielmehr einen besonderen Therapie-Aufwand, einen unzureichenden Therapie-Erfolg oder sonstige, durch die Krankheitsfolgen herbeigeführte erhebliche Einschnitte in der Lebensführung. Solche Einschnitte können sich bei der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten oder der Mobilität zeigen. Ihre Feststellung erfordert eine am Einzelfall orientierte Beurteilung. Bei der Beurteilung ist das betroffene Kind mit gleichaltrigen, gesunden Kindern in seiner alterstypischen Lebenssituation zu vergleichen.

Konkret wurden harte und weiche Faktoren formuliert, die zur Anerkennung einer Schwerbehinderung erfüllt sein müssen.

Harte Faktoren sind demnach beispielsweise:

  • hypoglykämische Entgleisungen (Unterzuckerungen) mit erforderlicher Fremdhilfe,
  • stationäre Behandlungs- Bedürftigkeit,
  • Folgeschäden an anderen Organen oder
  • nennenswerte Zeiten von Kita-, Schul- oder Arbeitsunfähigkeit.

Allein das gesteigerte Ausmaß an Hilfe und Begleitung durch die Eltern stellt keinen gravierenden Einschnitt in die Lebensführung dar. Hier müssen zusätzlich weiche Faktoren erfüllt werden. Das BSG sagt: „Eine dauernde elterliche Begleitung und Überwachung minderjähriger Diabetespatienten kann im Einzelfall trotzdem einen höheren GdB bedingen, wenn sie nachweisbar die Integrationsfähigkeit des Kindes erheblich beeinträchtigt, etwa weil sie es in eine Sonderstellung bringt, die sich negativ auf seine psycho-emotionale Entwicklung auswirkt (…) oder notwendige nächtliche Blutzuckerkontrollen der Eltern seinen Schlaf in teilhaberelevanter Weise stören.“

In der vorherigen Instanz wurden beispielsweise soziale Probleme, gravierende Verhaltensauffälligkeiten oder eine deutlich verringerte soziale Akzeptanz als solche Faktoren genannt. Die bloße Möglichkeit, dass das Kind ohne die Aufsicht und Begleitung der Eltern weitgehend von Aktivitäten ausgeschlossen sein könnte, reicht zudem nicht.

Zusätzliche Einschnitte in der Lebensführung müssen darüber hinaus ausreichend gewichtig sein. Insoweit wäre der Vergleich zu den Teilhabe-Beeinträchtigungen anderer Behinderungen heranzuziehen, für die in der VersMedV ein Wert von 50 fest vorgegeben ist. Unabhängig davon kann auch durch eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage ein höherer GdB vorliegen.

Rechte und Nachteilsausgleiche bei GdB 50 plus Merkzeichen H
  • steuerlicher Pauschbetrag für Menschen mit Behinderung von 7400 Euro
  • steuerlicher Pauschbetrag für Pflegepersonen
  • steuerlicher Fahrtkosten-Pauschbetrag von 4500 Euro
  • steuerliche Berücksichtigung von Hilfe im Haushalt
  • Möglichkeit der Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer
  • Möglichkeit der Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr
  • Möglichkeit des Preisnachlasses beim Neuwagenkauf

Für Hilflosigkeit Merkzeichen H

Als „hilflos“ gelten nach der VersMedV die Menschen, „die infolge von Gesundheitsstörungen – (…) ‚nicht nur vorübergehend‘ – für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen“. Die ständig notwendige Begleitung und Überwachung von Kindern mit Typ-1-Diabetes durch Eltern erfüllt nach der Rechtsprechung des BSG diese Voraussetzung und rechtfertigt somit das Merkzeichen H.

Daher ist bei Diabetes mellitus bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres stets Hilflosigkeit anzunehmen. Danach verfällt der Anspruch auf dieses Merkzeichen in der Regel, da ältere Jugendliche die erforderlichen Maßnahmen meist selbstständig und eigenverantwortlich durchführen können.

GdB 50 und Merkzeichen H beantragen

Um einen GdB 50 sowie das Merkzeichen H zu erhalten, ist ein Antrag auf Feststellung bei dem örtlich zuständigen Versorgungsamt notwendig. Besteht bereits ein niedrigerer GdB, kann ein Verschlimmerungsantrag gestellt werden.

Das Versorgungsamt fordert daraufhin Befund- und Behandlungsberichte von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten an. Außerdem wird die Dokumentation der Glukose-Messungen und Insulin-Dosierungen benötigt. Hier genügt in der Regel der pdf-Export der Daten des kontinuierlichen Glukose-Messens (CGM) und aus der Insulinpumpe.

Diese Unterlagen werden vom Versorgungsamt an den internen medizinischen Dienst zur Beurteilung weitergeleitet. Das Versorgungsamt erlässt dann einen Feststellungsbescheid. Auf Antrag wird ein Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch ausgestellt, welcher als Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen dient.


von Rechtsanwalt Matthias Meyer

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (5) Seite 44-45

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