Nachgefragt | Recht: Muss Max den Diabetes bei der Bewerbung angeben?

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Nachgefragt | Recht: Muss Max den Diabetes bei der Bewerbung angeben?

Sie haben rechtliche oder soziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Unser Rechts-Experte Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort.

Die Frage

Unser Max (Typ-1-Diabetes, CGM-System, Insulinpumpe) hat sich entschieden, nach seinem Abitur einen kaufmännischen Beruf einzuschlagen; bald stehen die ersten Bewerbungsgespräche an. Wir sind allerdings etwas unsicher, wie man mit dem Diabetes umgehen soll: Schon öfter haben wir den Hinweis gelesen, dass man bei Bewerbungen die Diabetes-Krankheit angeben müsse, um spätere arbeitsrechtliche Nachteile zu vermeiden.

Wir stehen aber auf dem Standpunkt, dass das den künftigen Arbeitgeber eigentlich nichts angeht und eine solche Offenheit möglicherweise nachteilig sein könnte. Was meinen Sie? Was machen wir, wenn ein Fragebogen kommt, in dem nach Krankheiten gefragt wird?

Heike H. aus Köln

Die Antwort von Oliver Ebert

Um Diskriminierungen zu vermeiden, wird im Arbeitsrecht zwischen unzulässigen und zulässigen Fragen des Arbeitgebers unterschieden.Bei zulässigen Fragen hat der Arbeitgeber Anspruch auf vollständige und richtige Angaben; der Bewerber muss also wahrheitsgemäß antworten.

Beispiele für zulässige Fragen sind:

  • Fragen zur beruflichen Qualifikation, zu Ausbildung und Fortbildung
  • Fragen nach Hobbys
  • Fragen nach sozialen Aktivitäten
  • Fragen zu bisherigen beruflichen Stationen
  • Ehrenämter
  • Nebentätigkeiten

Wenn der Bewerber hier schwindelt oder keine vollständigen Angaben macht, kann dies zu erheblichen Nachteilen führen. Der Arbeitgeber könnte dann geltend machen, dass er bei vollständiger Kenntnis der tatsächlichen Situation einen Arbeitsvertrag mit diesem Bewerber nie geschlossen hätte. Im schlimmsten Fall droht dann eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sogar ohne Anspruch auf Abfindung.

Häufig sind Arbeitgeber auch interessiert, möglichst viel von den Bewerbern zu erfahren und Informationen zu entlocken, die für ein späteres Arbeitsverhältnis an sich keine wesentliche Rolle spielen. In den seltensten Fällen steckt lediglich Neugierde dahinter, sondern vielmehr möchte man auf diese Weise „unliebsame“ oder risikobehaftete Bewerber erkennen – um diese dann im Zweifel gleich ablehnen zu können…

Fragen nach Erkrankungen grundsätzlich unzulässig

Pauschale Fragen nach Erkrankungen im Bewerbungsgespräch werden daher grundsätzlich als unzulässig angesehen. Eine Ausnahme gilt (nur) dann, wenn aufgrund der Krankheit ein erhebliches Risiko für sich oder andere besteht, das sich auch nicht durch Arbeitsschutzmaßnahmen auf ein vernünftiges Maß reduzieren lässt. Auch ist die Frage zulässig, wenn die Krankheit sich derart auf die auszuübende Tätigkeit auswirkt, dass diese gar nicht erst ausgeübt werden kann.

Im Übrigen soll nur bei ansteckenden Krankheiten mit erheblichem Ansteckungs- und Gefährdungspotential eine Auskunftspflicht bestehen. Diese Voraussetzungen liegen bei Diabetes sehr selten vor. Eine Offenbarungspflicht besteht daher nur in wenigen Ausnahmefällen. Bei kaufmännischen Berufen spielt der Diabetes aber keine Rolle und muss daher nicht mitgeteilt werden.

Zusammengefasst bedeutet das: Wenn vom potentiellen Arbeitgeber nach der Diabetes-Erkrankung gefragt wird, muss der Bewerber hierauf nicht antworten bzw. darf die Unwahrheit sagen. Daher sollte man den Diabetes auch nicht ungefragt angeben.

Weitere unzulässige Fragen

Auch die nachstehenden Fragen sind grundsätzlich unzulässig, da sie eine hohe Diskriminierungsgefahr mitbringen:

  • Fragen nach der Schwangerschaft (Ausnahme: Es besteht Gefahr für das ungeborene Kind.)
  • Fragen nach einem Kinderwunsch
  • Fragen nach der Religionszugehörigkeit
  • Fragen nach Parteimitgliedschaft bzw. Gewerkschaftszugehörigkeit
  • Fragen nach sexueller Ausrichtung

Auf solche unzulässigen Fragen muss der Bewerber keine Auskunft geben, er darf also die Antwort verweigern. Da ein bloßes Verschweigen/Nichtantworten aber meist kontraproduktiv wäre, darf man bei solchen Fragen sogar bewusst die Unwahrheit sagen. Dieser Rechtsgrundsatz beherrscht das Arbeitsrecht seit Jahren: Eine wahrheitswidrige Antwort gibt demnach dem Arbeitgeber bei unzulässigen Fragen selbst dann kein Recht, den Arbeitsvertrag anzufechten, wenn der Mitarbeiter dadurch für ihn „wertlos“ ist (EuGH Rs. C – 109/00).

Antwort verweigern

Der Arbeitgeber darf also weder im Bewerbungsgespräch noch über Personalfragebögen solche Fragen stellen – macht er es dennoch, muss er damit rechnen, dass die Betroffenen die Antwort verweigern oder wahrheitswidrige Angaben machen. Im Klartext: Leon muss keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten, wenn er auf die Frage nach der Diabetes-Erkrankung die Unwahrheit sagt.

Allerdings ist natürlich zu überlegen, ob ein Verschweigen wirklich Sinn macht. Denn gerade in Kleinbetrieben wird sich der Diabetes nicht lange vor dem Arbeitgeber verheimlichen lassen. In diesem Fall wäre sicherlich schon zu überlegen, ob man nicht besser mit offenen Karten spielt. Ohnehin stellt der Diabetes für die meisten Berufe keine Hürde mehr dar; in dem angestrebten kaufmännischen Berufsbild sollte es keine Probleme geben.

Dennoch gilt: Wenn nach dem Diabetes gar nicht gefragt wird, würde ich dringend davon abraten, die Diabetes-Erkrankung von sich aus anzugeben, man sollte hier ohne Not keine „schlafenden Hunde wecken“. Man kann etwas später – also wenn man den Job hat und die Stelle antritt – ja immer noch die Kollegen über den Diabetes bzw. das Verhalten bei etwaigen Unterzuckerungen informieren.


von Rechtsanwalt Oliver Ebert

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (1) Seite 22-23

 

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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