Interview mit Forscherin: Mit Intervallfasten bessere Glukosewerte

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Interview mit Forscherin: Mit Intervallfasten bessere Glukosewerte

Wer regelmäßig in den Abendstunden auf schwere und kohlenhydratreiche Mahlzeiten verzichtet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit Gewicht verlieren. Dass vom Intervallfasten auch der Stoffwechsel von Menschen mit Typ-2-Diabetes profitieren kann, hat Dr. Olga Ramich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam durch ihre Arbeiten belegt. Wir sprachen mit der Wissenschaftlerin über ihre Erkenntnisse.

Sehr geehrte Frau Dr. Ramich, Sie befassen sich in Ihrer Forschung schon seit einigen Jahren intensiv mit tageszeitbasierten Ernährungsstrategien. Ist es nach Ihrer Erkenntnis wichtiger, wann man isst, als was man isst?
Dr. Olga Ramich:
Nein, das ist zu überspitzt formuliert. Es ist wichtig, was man isst, wie viel man isst und wann man isst. Diese drei Faktoren bestimmen, ob wir uns gesund oder ungesund ernähren und ob es unseren körperlichen Bedürfnissen optimal entspricht. Es bringt nichts, wenn wir zur richtigen Uhrzeit essen, aber immer viel zu viel. Es gibt allerdings Studien mit Mäusen, die zeigen, dass die Tiere davon profitieren, wenn man sie weniger Stunden pro Tag füttert – selbst wenn es sich um hochkalorisches Futter handelt. Das ist ein Zeichen, dass man selbst bei ungesundem Essen ein wenig von günstigen oder kürzeren Essenszeiten profitieren kann. Die Faktoren wirken also in Kombination.

Im Interview: Dr. Olga Ramich

Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Olga Ramich ist Leiterin der Forschungsgruppe „Molecular Metabolism and Precision Nutrition“ am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Sie forscht u.a. zur Chrononutrition, bei der untersucht wird, wie deine biologische Uhr und die Nahrungsaufnahme zusammenhängen.

Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, dass der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel in den Abendstunden das Fortschreiten einer Diabetes-Erkrankung verzögern kann?
Ramich:
Es gibt Hinweise darauf, dass man auf Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index in den Abendstunden besser verzichten sollte. In einer unserer Studien haben wir beispielsweise festgestellt, dass die durchschnittlichen Glukosewerte im Tagesverlauf höher waren, wenn die Kohlenhydrate abends gegessen wurden. Das galt allerdings nur für Probanden, die bereits ein erhöhtes Risiko hatten, an Diabetes zu erkranken. Für diese Personengruppe ist es deshalb sicher empfehlenswert, wenig Kohlenhydrate in den Abendstunden zu essen.

Kann ein entsprechend angepasstes Ernährungsverhalten womöglich sogar das Auftreten einer Diabetes-Erkrankung verhindern?
Ramich:
Es hilft nach meiner Auffassung, die Glukosewerte möglichst im Normbereich zu halten, um das Auftreten einer Diabetes-Erkrankung zumindest zu verzögern. Natürlich gibt es daneben viele weitere Faktoren, die eine Rolle spielen – Gewicht und andere Erkrankungen zum Beispiel. Man kann das Ganze nicht eindimensional betrachten.

Was raten Sie Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind und die medikamentös behandelt werden? Inwieweit profitieren auch sie von einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten?
Ramich:
Menschen mit Diabetes sollten auf jeden Fall auf ihre Essenszeiten achten. Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass das Essen am späten Abend und in der Nacht negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel hat. Das betrifft nicht nur die Glukosewerte, sondern auch den Lipidspiegel. Unsere innere Uhr reguliert viele Stoffwechselprozesse in unserem Körper, was unter anderem dazu führt, dass unsere Glukosetoleranz abends schlechter ist als morgens. Wir sehen außerdem auch in Bezug aufs Körpergewicht, dass es günstiger ist, große Kalorienmengen nicht in den Abendstunden zu verzehren.

Profitiert man grundsätzlich auch davon, regelmäßig zur gleichen Uhrzeit zu essen?
Ramich:
Ja, viele Studien zeigen, dass regelmäßige Essenszeiten sinnvoll sind und dass man zwischendurch nicht viel „snacken“ muss. Die Ergebnisse in diesem Bereich sind allerdings teilweise widersprüchlich. Es gibt Studien, die zeigen, dass es für den Glukosespiegel von Menschen mit Typ-2-Diabetes besser ist, mehrere kleine Mahlzeiten im Tagesverlauf einzunehmen. Es gibt aber auch Studien, in denen genau das Gegenteil herauskam – in diesen sah man positive Effekte, wenn die Probanden sich auf zwei oder drei Mahlzeiten im Tagesverlauf beschränkten. Zu der Frage, ob mehr oder weniger Mahlzeiten sinnvoll sind, gibt es aus meiner Sicht also noch weiteren Forschungsbedarf. Klar ist allerdings, dass regelmäßige Essenszeiten auf jeden Fall sinnvoll sind.

Regelmäßiges Essen und Intervallfasten sind schwierig, wenn man zum Beispiel im Schichtbetrieb arbeitet. Kann man auch diesen Menschen etwas raten?
Ramich:
Bei Menschen, die im Schichtbetrieb arbeiten, ist alles verschoben – die Schlafzeiten und auch die Essenszeiten. Sie erleben immer wieder einen sozialen Jetlag. Das betrifft uns alle an den Wochenenden. Bei Menschen im Schichtbetrieb ist es aber noch viel deutlicher ausgeprägt. Das sind natürlich ungünstige Bedingungen, die man im Arbeitsalltag nicht vermeiden kann. Menschen in Schichtarbeit sollten deshalb noch stärker darauf achten, sich gesund zu ernähren – mehr Obst, mehr Ballaststoffe, vielleicht nach der Arbeit lieber einen großen Teller Salat als Nudeln. Auch gesunde Zwischenmahlzeiten bei der Arbeit können etwas bringen. Man muss außerdem auf ausreichend Schlaf achten. Zeit an der frischen Luft und Sport helfen ebenfalls dabei, die negativen Wirkungen von Schichtarbeit auszugleichen.

Würde es diesen Menschen denn auch schon etwas bringen, die Empfehlungen nur an den freien Tagen umzusetzen?
Ramich:
Ich kenne keine Studien, in denen das untersucht wurde. Es gibt aber Studien zum Effekt von Intervallfasten an nur fünf Tagen pro Woche, wenn man sich am Wochenende doch mal etwas gönnt. Das scheint schon etwas zu bringen. Ich würde aber erwarten, dass es unzureichend ist, die Empfehlungen nur an zwei Tagen pro Woche umzusetzen – und ich befürchte zudem Probleme mit der Disziplin, denn unser Körper gewöhnt sich natürlich auch an die Essenszeiten. Vermutlich werden es die meisten Menschen nicht schaffen, sich an die Empfehlungen zu halten, wenn diese an zwei Tagen pro Woche immer wieder mit einem Hungergefühl verbunden sind. Bei regelmäßiger Umsetzung hingegen gewöhnt sich der Körper an das Intervallfasten.

Ist die körperliche Reaktion auf Ernährung auch vom Tageslicht abhängig? Nimmt man im Winter womöglich schneller zu als im Sommer?
Ramich:
Unser Verhalten ist natürlich auch davon abhängig, wie lange die Tageslichtzeiten sind. Wir treiben zum Beispiel weniger Sport, wenn es abends früher dunkel ist. Wir gehen dann vielleicht auch seltener spazieren und sitzen lieber auf dem Sofa. Feste wie Weihnachten, bei denen wir viele leckere Sachen mit der Familie verzehren, fallen ebenfalls in diese Zeit. Das führt dazu, dass wir im Winter eher zunehmen. Es hat aber nicht direkt etwas mit dem Tageslicht zu tun. Es gibt übrigens Studien, die zeigen, dass unser Grundumsatz im Winter sogar höher ist, weil es kalt ist und durch Verbrennen von Kalorien die Körpertemperatur hochgehalten wird. Das müsste theoretisch sogar eher dazu beitragen, dass wir im Winter abnehmen – das passiert aber nicht, weil wir einfach zu viele leckere Sachen konsumieren und uns weniger bewegen.

Gerade in den südeuropäischen Ländern wird häufig sehr spät gegessen. Warum sind die Menschen dort nicht dicker?
Ramich:
Das liegt wohl auch an der mediterranen Kost. In Südeuropa nehmen die Menschen viele gesunde pflanzliche Öle, Nüsse, Gemüse und Fisch zu sich und essen durchschnittlich weniger Kohlenhydrate und Fleisch. Die gesunde Zusammenstellung der Ernährung kompensiert dann teilweise auch die negativen Effekte der späten Essenszeiten.

Abschließend noch ein kleiner Motivationsanreiz für unsere Leser: Wie lange dauert es nach Ihrer Erkenntnis, bis sich bei einer Umstellung der Ernährungszeiten positive Auswirkungen auf Gewicht und Stoffwechseleinstellung zeigen?
Ramich:
Eigentlich gar nicht so lange. Wir haben erst vor Kurzem eine Studie zum Intervallfasten abgeschlossen, welche die Effekte von früheren und späteren Essenszeiten verglichen hat. Jede Phase hat nur zwei Wochen gedauert, und trotzdem konnten wir schon eine deutliche Auswirkung auf den Stoffwechsel der Teilnehmerinnen feststellen. Die gute Nachricht ist: Man sieht die Effekte praktisch sofort. Wer ein Zeitfenster für das Intervallfasten auswählt, das gut zum eigenen Alltag passt, profitiert schon davon, ohne an der Mahlzeitenkomposition etwas zu verändern. Man nimmt dann fast automatisch ab, weil man es gar nicht schafft, in einem kürzeren Zeitfenster mehr zu essen.

Wir bedanken uns für das Gespräch!


Interview: Thorsten Ferdinand

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