Ernährung bei Diabetes: Welches Verhalten ist normal – wann liegt eine Ess-Störung vor?

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Ernährung bei Diabetes: Welches Verhalten ist normal und wann liegt eine Ess-Störung vor? | Foto: Denis Novikov - GettyImages
Foto: Denis Novikov - GettyImages
Ernährung bei Diabetes: Welches Verhalten ist normal – wann liegt eine Ess-Störung vor?

Nach der Diagnose eines Diabetes spielen die Themen Ess-Verhalten, Gewicht und Bewegung im Alltag von Betroffenen oft eine große Rolle. Bisherige Routinen bei der Ernährung müssen überdacht und eventuell verändert werden. Was bewegt sich dabei in einem normalen und angemessenen Rahmen, wann könnte eine Ess-Störung dahinterstecken? Dipl.-Psych. Susanne Baulig klärt auf!

Menschen mit Typ-1-Diabetes stehen vor der Herausforderung, Insulingaben an Art, Menge und Zeitpunkt des Essens und die geplante körperliche Aktivität anzupassen. Und vor allem bei Typ-2-Diabetes befindet sich das Körpergewicht nicht nur bei Terminen in der Diabetespraxis, sondern auch im Alltag ständig im Fokus. Einigen Menschen mit Diabetes gelingt es nach einer Weile, neue Ernährungs-Gewohnheiten zu etablieren.

Viele sind jedoch frustriert bei dem Versuch, das eigene Gewicht unter Kontrolle zu halten, indem besonders wenig oder nur sehr ausgewählt (z.B. kohlenhydratarm) gegessen wird. Manchmal entsteht aus einer solchen „Diät“ ein Teufelskreis aus ungünstigen Verhaltensweisen. Für Laien ist es dann schwierig, zu unterscheiden, ob die Beschäftigung mit diesen Themen noch ein für das Diabetes-Management nötiges und angemessenes Ausmaß hat oder ob es darüber hinausgeht und vielleicht eine Ess-Störung vorliegt.

Auf einen Blick: Ess-Störungen bei Diabetes
  1. Menschen mit Diabetes beschäftigen sich im Rahmen ihrer Erkrankung ausführlicher mit ihrem Ess-Verhalten als Menschen ohne Diabetes. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie grundsätzlich ein gestörtes Ess-Verhalten haben.
  2. Ess-Anfälle, absichtliches Erbrechen oder eine plötzliche Gewichtsabnahme können ein Hinweis auf eine bestehende Ess-Störung sein.
  3. Ess-Störungen können bei Menschen mit Diabetes beträchtliche Auswirkungen auf die langfristige körperliche Gesundheit haben und sollten daher immer fachkundig behandelt werden.

Ernährung bei Diabetes: Ess-Anfälle mit „Gegenmaßnahmen“

Zwei mögliche Ess-Störungen, die einiges gemeinsam haben, sind die Bulimie (auch Bulimia nervosa genannt) und die Binge-Eating-Störung. Beide sind gekennzeichnet durch das Auftreten von Ess-Anfällen, bei denen innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit (z.B. eine Stunde) eine große Menge gegessen wird, beispielsweise drei Teller Nudeln mit Soße, zwei Brote mit Schokocreme, ein Joghurt, eine halbe Tüte Chips, zwei Schokoriegel. Typischerweise wird dabei ein Verlust der Selbstkontrolle empfunden, d.h. man sieht keine Möglichkeit mehr, sich selbst zu stoppen und die Menge der aufgenommenen Nahrung zu begrenzen.

Bei der Bulimie werden zusätzlich zu den Ess-Anfällen „Gegenmaßnahmen“ durchgeführt. Damit sind Verhaltensweisen gemeint, die verhindern sollen, dass die übermäßige Kalorien-Aufnahme durch die Ess-Anfälle zu einer Gewichtszunahme führt. Meistens versteht man darunter absichtliches Erbrechen, das Nutzen von Abführmitteln oder das exzessive Treiben von Sport. Ess-Anfälle und Gegenmaßnahmen können langfristig zu schweren körperlichen Folgen führen z.B. im Herz-Kreislauf-System, Knochen-Stoffwechsel oder Hormon-Haushalt.

Große Ess-Mengen können Folgen haben – auch auf die Stoffwechsel-Einstellung

Menschen mit Diabetes sind in besonderer Weise davon betroffen. Zum einen lassen kalorienreiche Ess-Anfälle den Blutzucker besonders stark ansteigen und verringern darüber hinaus die Empfindlichkeit für die Wirkung von Insulin. Zum anderen sind aufgrund des Kontrollverlusts die aufgenommenen Nahrungsmengen, vor allem die Menge der Kohlenhydrate, kaum nachvollziehbar. Dazu kommt, dass das Verhalten rund um die Ess-Anfälle so sehr mit Scham besetzt ist, dass die Patientinnen und Patienten es lieber vermeiden, über die gegessene Menge nachzudenken.

Dadurch wird jedoch verhindert, dass eine für das Essen angemessene Insulinmenge berechnet und gespritzt werden kann. Die Folge sind häufig hohe Blutzuckerwerte. Manchmal wird aber auch zu viel Insulin abgegeben, was Unterzuckerungen (Hypoglykämien) verursacht. Außerdem ist es für Betroffene schwierig, das Zusammenspiel von Gegenmaßnahme und Insulinwirkung gut einzuschätzen. Beispielsweise kann durch selbst herbeigeführtes Erbrechen eine sehr viel kleinere Menge an Kohlenhydraten als vorher berechnet auf noch wirkendes Insulin treffen. Damit steigt das Risiko für sehr niedrige Blutzuckerwerte.

Ernährungsverhalten und Ess-Störungen bei Diabetes

Zum Thema gibt es weitere Informationen sowie Erfahrungsberichte in diesen Beiträgen auf diabetes-anker.de.

Gefährliches Insulin-Purging: Kein Insulin – keine Energie mehr

Bei Typ-1-Diabetes kann noch eine weitere Art der Gegenmaßnahme hinzukommen: das Insulin-Purging. Hier werden die eigentlich notwendigen Insulingaben nach Ess-Anfällen absichtlich stark reduziert oder ganz ausgelassen. Auch ohne das Vorliegen von Ess-Anfällen kann Insulin-Purging als eine eigenständige Ess-Störung bei Typ-1-Diabetes auftreten. Die betroffenen Personen spritzen auch zu regulären Mahlzeiten bewusst zu wenig oder gar kein Insulin.

In beiden Fällen werden die physiologischen Folgen hoher Blutzuckerwerte genutzt, um eine Gewichtszunahme zu verhindern: Die Glukose im Blut wird über die Niere ausgeschieden und steht dem Körper nicht als Energie zur Verfügung. Kurzfristig steigt jedoch durch die sehr hohen Blutzuckerwerte und das fehlende Insulin das Risiko für Ketoazidosen, also starke Übersäuerungen des Körpers. Langfristig wird das Auftreten von Folgeerkrankungen wahrscheinlicher.

Diabetes-Team ansprechen, wenn der Verdacht auf eine Ess-Störung besteht!

Wenn das Thema Essen einen zunehmend großen Teil des Alltags bestimmt und über das hinausgeht, was für den Diabetes notwendig ist, kann das Diabetes-Team eine erste Anlaufstelle sein. Falls sich der Verdacht auf eine Ess-Störung erhärtet, sollte die weitere Abklärung und ggf. anschließende Behandlung immer in die Hände von Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten gelegt werden.

Psychotherapie
In einer Psychotherapeutischen Sprechstunde kann eine erste Einschätzung erfolgen, ob eine behandlungsbedürftige psychische Störung (z. B. eine Ess-Störung) vorliegt. Eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut kann außerdem über verschiedene Möglichkeiten der Behandlung aufklären, die ambulant oder – in schwereren Fällen – auch stationär durchgeführt werden kann. Psychotherapeutische Sprechstunden werden z. B. über die Termin-Servicestelle der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (Tel.: 116 117, oder online: 116117.de) vermittelt.

Erste Hilfe in einer psychotherapeutischen Sprechstunde

In einer Psychotherapeutischen Sprechstunde kann eine erste Einschätzung erfolgen, ob eine behandlungsbedürftige psychische Störung (z.B. eine Ess-Störung) vorliegt. Eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut kann außerdem über verschiedene Möglichkeiten der Behandlung aufklären, die ambulant oder – in schwereren Fällen – auch stationär durchgeführt werden kann. Psychotherapeutische Sprechstunden werden z.B. über die Termin-Servicestelle der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (Tel.: 116 117, oder online: 116117.de) vermittelt.


von Dipl.-Psych. Susanne Baulig

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (4) Seite 50-51

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  • loredana postete ein Update vor 1 Tag, 15 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 2 Tagen, 12 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

  • Hallo, ich bin Stefanie, die Diagnose Typ 1, habe ich vor drei Monaten bekommen.
    Ich merke wie es mir aktuell mit der Diagnose eher schlechter, als besser geht und meine Depression wieder da ist und ich auch eine neue Therapie starten werde. Ich habe aber das Gefühl, dass mich niemand Freundeskreis verstehen kann, weil niemand weiß, wie sehr diese Diagnose das Leben durcheinander bringt und ich auf so vieles aufpassen muss. Vor zwei Wochen hatte ich meine Schulung, tatsächlich fällt mir der Umgang mit dem Diabetes eher sogar schwerer. Eine Leichtigkeit (ist auch zu viel verlangt) ist nicht eingetreten. Sicherheit nur etwas.
    Es gibt bei mir leider keine Selbsthilfegruppen vor Ort, darum habe ich mich nun entschieden, den Diabetes Anker beizutreten und hoffe auf Verständnis von “Gleichgesinnten”
    Viele Grüße

    • Hallo Stefanie, schön ,dass du da bist. Wir treffen uns zum virtuellen Austausch nächste Woche Donnerstag. Vielleicht hast du ja Zeit und kannst dich einwählen 🙂 Ich freue mich, wenn wir uns dort sehen. Liebe Grüße Lena

      Virtuelles Diabetes-Anker Community-MeetUp im Dezember

    • Hallo Stefanie! Ich weiß noch wie es nach meiner Diagnose war – es dauert bis da von Leichtigkeit die Rede sein kann. Und das Umfeld tut sich oft sehr schwer das alles zu verstehen. Es wird besser aber es braucht Zeit. Alles Gute

    • @lena-schmidt: Hallo Lena, ich habe angemeldet und steht auch fest im Kalender.

    • @moira: Danke dir, ja es ist nicht ganz leicht damit klarzukommen und du hast recht, das Umfeld stellt mir Unmengen an Fragen, aber die kann ich aktuell selbst nicht beantworten, weil ich selbst genügend habe und andere Prios. Am schlimmsten empfinde ich die gutgemeinten “Ratschläge”.

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