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In meinen Augen besteht das Leben mit Diabetes aus unheimlich viel Verantwortung. In erster Linie für sich selbst, seine Gesundheit und im Zweifel fürs Überleben. Aber je nach Lebenssituation spielt für mich natürlich die Verantwortung anderen Lebewesen gegenüber auch eine Rolle. Manchmal, weil mir aktiv Verantwortung übertragen wird, manchmal auch, weil ich nur denke, verantwortlich zu sein. Aber egal in welcher Situation: Verantwortung löst in mir Druck aus. Und in den seltensten Fällen ist emotionaler Druck förderlich für mich, mein Handeln und meinen Diabetes.
Wenn Menschen, die es nichts angeht, was ich zu tun und zu lassen habe, Sätze mit „Du musst…“ beginnen, bin ich innerlich sehr schnell distanziert und habe eher das Bedürfnis, genau das, was ich vermeintlich muss, nicht zu tun. Natürlich kommt das auf die Situation an, aber ich denke, ihr kennt solche Momente auch. Ganz anders sieht es aus, wenn ich denke, dass ich etwas tun muss, und dem nicht so gerecht werde, wie ich es mir vorstelle.
Ein Beispiel dafür waren schon immer Basalratentests und ähnliche Diabetes-Management-Aufgaben. Sobald mein Gehirn einen Gedanken wie „Du musst unbedingt mal wieder deinen Insulinbedarf checken“ formte, war ich wie blockiert. Denn aus irgendeinem Grund habe ich solche Einfälle auch oft in Momenten, in denen ich sowieso viel um die Ohren und wenig Zeit für mich selbst habe. Und dann wird aus dem „Ich muss…“ ein „Ich schaffe das nicht…“ und daraus ein „ich versage“.
Zum Leben mit Diabetes gehören nicht nur das Berechnen von Insulin und Kohlenhydraten und ein Besuch beim Diabetes-Team alle drei Monate. Das Diabetes-Management passiert eigentlich jede einzelne Minute, wenn auch inzwischen oft unbewusst. Ich denke, es ist gut, dass ich gar nicht mehr jeden Gedanken an den Diabetes als eigenständige Aufgabe wahrnehme. Aber wenn ich es eben doch tue oder Aufgaben dazukommen, die eben nicht nebenbei machbar sind – wie ein Basalratentest – komme ich in den „Ich kann das (jetzt) nicht“-Gedankenstrudel, dessen Ergebnis komplette Erschöpfung ist.
Ich bin viele Jahre meines Lebens zur Psychotherapie gegangen. Dementsprechend habe ich wirklich viel Zeit damit verbracht, mich mit mir und meinen Fragen an das Leben auseinanderzusetzen. Ich weiß, dass ich eher der Typ Mensch bin, für den „alles toll“ oder „alles mies“ ist, und ich nicht immer die Zwischentöne erkennen kann. Darum weiß ich es eigentlich besser, wenn mein Unterbewusstsein mit einer Frage über meine eigene Schuld an dem Ganzen um die Ecke kommt. Trotzdem: Würde ich mir weniger Druck machen (lassen), wäre ich entspannter. Wäre ich entspannter, wäre ich weniger erschöpft. Warum tue ich mir diesen eigenen Stress also trotzdem an?
Es sind die Ansprüche, die ich an mich habe. Ich will möglichst gut, möglichst gesund und möglichst glücklich leben. Um die passenden Voraussetzungen dafür zu schaffen, gehören unangenehme Dinge – fürchte ich – dazu. Mit unangenehmen Dingen meine ich beispielsweise den bereits erwähnten Basalratentest, Erfahrungen außerhalb der Komfortzone oder auch die Erkenntnis, dass ich immer noch nicht die Person bin, die ich sein möchte, und dass ich daran arbeiten muss. Ich habe die Verantwortung dafür. Ich habe Verantwortung für ein ganzes Leben, nämlich meins. In diesem Leben muss ich manchmal Dinge tun, von denen ich denke, ich könne sie nicht. Und dann schaffe ich es trotzdem immer wieder. Letztendlich denke ich, dass es mir zusteht, die große Erschöpfung, die das mit sich bringt, zu spüren und deswegen manchen weiteren Erwartungen nicht gerecht zu werden.
Ein wichtiger Beitrag zum Leben mit einer chronischen Erkrankung kommt von Sara: Diabetes und Selbst-Mitgefühl
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