Patientenwohl mehr beachten!

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Patientenwohl mehr beachten!

Kein Zusatznutzen! Mit diesem Ergebnis ist die Diabetologie bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln in den zurückliegenden Jahren immer wieder konfrontiert worden. Die Folge: Die Hersteller nahmen Diabetes-Medikamente wieder vom deutschen Markt, die in anderen Ländern Europas weiterhin verordnet werden können.

Diabetes-Experten kritisieren seit langem die rigide Vorgehensweise bei der frühen Nutzenbewertung. Jetzt fordert die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) – ihr gehören mehr als 20 Vertreter an, auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) –, dabei das Patientenwohl methodisch stärker zu berücksichtigen.

Denn das “patientenrelevante Outcome” soll zu einem wichtigen Kriterium der Bestimmung eines Zusatznutzens werden. Dazu hat die AWMF ein Positionspapier verfasst, das auf einer umfassenden Analyse der Ergebnisse aller AMNOG-Verfahren von 2011 bis 2016 basiert.

Krankheitsbelastung nicht ausreichend erfasst

Die frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel wurde im Januar 2011 durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) als Instrument der Preisgestaltung eingeführt. Neu in den Markt eingeführte Medikamente oder bereits etablierte Arzneimittel, die bei weiteren Krankheitsbildern (Indikationen) eingesetzt werden sollen, durchlaufen seither eine “frühe Nutzenbewertung” durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) (wir berichteten mehrfach).

Bei der Analyse der Ergebnisse aus dem 5-jährigen AMNOG-Prozess kam die zuständige Ad-hoc-Kommission Nutzenbewertung der AWMF zu dem Ergebnis: Die häufigste Festlegung für die 469 ausgewerteten Subgruppen in 224 Verfahren war “Zusatznutzen nicht belegt” (61,1 Prozent), gefolgt von “geringer Zusatznutzen” (15,8 Prozent) und “beträchtlicher Zusatznutzen” (12,1 Prozent). Diese Differenzen führt die Kommission auf eine unterschiedliche Bewertung der Endpunkte der Studien zurück.

Reduziert ein neues Arzneimittel die Krankheitsbelastung und verbessert die Lebensqualität des Patienten, werde dies jedoch nicht ausreichend erfasst. “Wir brauchen eine höhere Gewichtung von Funktionstests, Verbesserung bei Alltagsfunktionen oder belastenden Symptomen”, fordert Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Vorsitzender der Kommission.

Antidiabetika wurden bislang unterdurchschnittlich bewertet

Bis Ende 2016 wurden 31 Verfahren zu Arzneimitteln für die Therapie von Diabetespatienten mit einer Festlegung abgeschlossen. Dabei schnitten Antidiabetika in den bisherigen Verfahren der frühen Nutzenbewertung unterdurchschnittlich ab. Auffälligstes Ergebnis: Die Entscheidung “Zusatznutzen nicht belegt” ist ungleich zwischen den Fachgebieten verteilt. Die Rate von Subgruppen reicht von 45 (Infektiologie) bis 88 Prozent (Diabetologie). Das zeigt die Auswertung der Bereiche mit mindestens 10 abgeschlossenen Verfahren.

Diese breite Spanne sei nicht allein durch Unterschiede in Design und Qualität der zugrundeliegenden Studien erklärbar, kritisiert die Kommission. Im Überblick sehen die Ergebnisse so aus: Die Diabetologie zeigt mit 88 Prozent am meisten die Entscheidung “Zusatznutzen nicht belegt”; es folgen die Bereiche Augenerkrankungen (Ophthalmologie) mit 80 Prozent sowie Nervenerkrankungen (Neurologie) mit 73 Prozent (siehe Abb. 1).

HbA1c wird nicht berücksichtigt

Hauptgrund dafür, dass der Anteil “Zusatznutzen nicht belegt” beim Diabetes so hoch liegt: Der in den Zulassungsstudien verwendete Endpunkt der Senkung des Langzeitblutzuckerwerts HbA1cwird in der frühen Nutzenbewertung nicht akzeptiert. Sobald aber ein Einfluss auf die Sterblichkeit (Mortalität) nachgewiesen wurde, stellte der G-BA einen beträchtlichen Zusatznutzen fest – wie bei der Neubewertung des Wirkstoffes Empagliflozin, und das in 4 von 10 zum Teil neu definierten Subgruppen.

Rund 1,5 Mio. Typ-2-Diabetes-Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und unzureichender Blutzuckereinstellung profitieren von Empagliflozin besonders, wenn es zusätzlich zu einem anderen blutzuckersenkenden Mittel verordnet wird und man die Herz-Kreislauf-Erkrankung ebenfalls medikamentös behandelt: Die Sterblichkeit an Herz- und Kreislauf-Komplikationen verringert sich.

Bei der frühen Nutzenbewertung fordert die Kommission auch mehr Transparenz im Verfahren der Preisbildung und bei den Kriterien zur Festlegung der Aussagesicherheit.


von Angela Monecke
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (7) Seite 48-49

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  • bloodychaos postete ein Update vor 1 Tag, 23 Stunden

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

  • loredana postete ein Update vor 3 Tagen, 20 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 4 Tagen, 18 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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