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Ich drehe am Rad. Ich meine es ernst: Ich drehe komplett am Rad. Gestern konnte ich endlich mein FreeStyle Libre bestellen, heute ist es da. 24 Stunden später, obwohl eine Lieferzeit von 3-5 Werktagen angegeben war. Ich renne im Kreis, bin so glücklich, dass ich erst sortieren muss, was das für ein krasses Gefühl ist, und schreibe meiner Diabetes-Freundin, dass das Päckchen gekommen ist. „Dann ran damit und keine Angst haben!“, die Antwort binnen Sekunden. Ja, ja, ja. Okay. Das Lesegerät habe ich schon vor einiger Zeit von meiner Dia-Praxis bekommen, sprich, eingestellt ist alles und ich bin damit auch relativ vertraut. Ich packe die Sensoren samt Zubehör aus, schraube die Setzhilfe mit dem Sensor zusammen, desinfiziere meinen Oberarm und klack, sitzt es. Das war so einfach, dass ich daran zweifele, ob es echt geklappt hat. Das Lesegerät erkennt den Sensor, alles gut. Es sieht so wunderschön aus, dieses weiße, runde Ding, das wirkt, als solle es mich davor schützen, dass ich geklaut werde. Ich klebe die überstehende Klebefläche mit wasserfestem Pflaster fest, bestelle parallel im Internet Kinesiotape und renne nach wie vor verstrahlt umher. Ich wollte heute Nachmittag Kekse backen, aber ich bin selbst dafür zu glücklich. Nach einer Stunde Kalibrierungszeit der erste Wert: LO. Verdammt, das Ding geht nicht, oder? Messe blutig gegen, tatsächlich eine Hypoglykämie. Doch noch über eine Stunde blieb die Anzeige weiterhin bei LO. Im Internet lese ich in der Zwischenzeit, dass das ein Anzeichen dafür ist, dass die Kalibrierung länger dauert – und genauso war es. Die folgenden Werte wichen nun „nur noch“ knapp 30 mg/dl (1,7mmol/l) vom Blut ab. Ein Gerät zum unblutigen Messen an meinem Arm. An. Meinem. Arm. Glauben kann ich es noch nicht. In der ersten Nacht mag ich überhaupt nicht auf dem Gerät liegen. Nicht, weil es weh tut oder so, ich will nur auf keinen Fall, dass es kaputtgeht. Ich bin kurz davor, diesem Messgerät ein Liebeslied zu schreiben. Mögliche Titel: „Your FGM is a wonderland” oder „The power of libre“.
In den Morgenstunden, nachdem ich einmal wach war, lag ich doch drauf. Messfehler entstanden dadurch nicht, zumindest unterscheiden sich die Werte vom Blut nicht anders als gestern Abend – und auch diese Abweichungen legen sich über den Tag dann komplett. Das Kinesiotape kommt mit der Post. In meiner Fantasie schnippelte ich das nun ordentlich zurecht und klebte es feinsäuberlich fest. In der Realität endete es so: Der Schwerkraft keine Chance, dieses Ding bleibt da! Auch wenn es gar keine Anzeichen gibt, dass sich irgendwas löst, kreuz und quer wird es festgetackert.
Die erste Dusche überstehen Tape, Libre und ich, als wären wir Profis. Auch die restlichen Befürchtungen wurden bisher nicht bestätigt: Keine Probleme mit angreifenden Türrahmen, keine Abreißorgien beim Umziehen (in meiner Vorstellung waren BH-Träger der Erzfeind jeder unnatürlichen Erhebung auf dem Arm) und auch kein Juckreiz macht sich bemerkbar. Ich scanne mindestens jede Stunde, eher öfter, und liebe es. Es passiert mir allerdings häufig, dass ich mit dem Lesegerät zu kurz am Sensor verweile und noch gar kein Wert ausgelesen wurde.
Es ist, als wäre ich ein alter Libre-Hase. Nur die Euphorie über die zu begutachtende Kurve ist noch sehr, sehr frisch. Große Überraschungen hält sie allerdings nicht bereit. Dass eine optimale Einstellung anders aussieht, wusste ich auch vorher. Ich bin nur erstaunt, wie weit weg sich das in den Fingerpiksen für mich schon anfühlt. Mein neuer Lieblingssatz: „Willst du mal meinen Wert scannen?“
Für kurze Momente holt mich mit dem Libre das Problem ein, weswegen ich mich bisher gegen eine Pumpe entschieden habe. Der Gedanke, dass da etwas an mir „sitzt“ und ich es nicht – je nach Laune – abmachen und wieder rankleben kann, macht mich nervös.
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