Lebensmittelauswahl – auf die Qualität kommt es an

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Lebensmittelauswahl – auf die Qualität kommt es an

Galt es lange Zeit als die beste Ernährungsform für Menschen mit Typ-2-Diabetes, besonders die Fettmengen im Auge zu behalten, hat sich hier einiges getan. Wir haben dazu bei Professorin Dr. Diana ­Rubin nachgefragt. Sie ist Chefärztin in Berlin und Vorsitzende des Ausschusses Ernährung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG): Worauf kommt es beim Essen mit Typ-2-Diabetes wirklich an?

Diabetes-Journal (DJ): Frau Prof. Rubin, warum ist die Ernährungsumstellung so wichtig – und dennoch für die meisten Menschen mit und auch ohne Diabetes so schwierig?
Prof. Dr. Diana Rubin:
Eine Ernährungsumstellung ist tatsächlich eine der wichtigsten Maßnahmen in der Behandlung eines Typ-2-Diabetes und kann die Erkrankung sogar für viele Jahre zum Stillstand bringen. Das schafft bisher kein Medikament. Und ja, leider schaffen trotz der möglichen, beeindruckenden Erfolge der Therapie derzeit nur etwa 10 bis 15 % der Patienten eine dauerhafte Umstellung. Wir brauchen hier also neue Konzepte.

Im Interview:

Professorin Dr. Diana Rubin ist Chefärztin und Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin im Vivantes Humboldt-Klinikum sowie im Vivantes Klinikum Spandau (beides Berlin) und Vorsitzende des Ausschusses Ernährung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

DJ: Wie könnten diese Konzepte aussehen?
Rubin:
Man muss dies von mehreren Seiten angehen. Es geht nicht nur um Veränderungen im Verhalten, sondern auch um Veränderungen in den Verhältnissen.

DJ: Welche Verhältnisse meinen Sie dabei genau?
Rubin:
Wir brauchen ein besseres Angebot von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Diese sollten finanziell gefördert werden. Gleichzeitig ist eine Reduktion ungesunder Lebensmittel sehr wichtig. Das Stichwort lautet hier Reformulierung und Steuern. Viele Lebensmittel wie beispielsweise Fruchtjoghurts oder Müslis müssten im Zuckergehalt reduziert werden. Dafür reicht die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen bisher leider nicht aus. Eine Mehrwertsteuersenkung für gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse käme ebenfalls in Frage.

Viele Menschen können die Nahrungsqualität nicht ausreichend beurteilen. Das liegt vor allem am Fehlen von guten Informationen. Die Lebensmittel müssen besser und einfach verständlich ausgezeichnet sein, damit Verbraucher diese besser, schneller und leichter beurteilen können. Problematisch ist, dass insbesondere einige gesunde Lebensmittel im Verhältnis zu stark verarbeiteten Produkten teuer sind, beispielsweise echtes Vollkornbrot im Vergleich zu hellem Brot wie Toast. Viele Lebensmittel, die auch zu einem ungesunden Lebensstil beitragen, werden unter dem eigentlichen Produktionspreis angeboten.

Hier herrscht eine Schieflage. Oftmals haben viele Berufstätige und Schüler keine Chance, ein vernünftiges Angebot an gesunden Mahlzeiten zu wählen. Hier müssten bessere Angebote geschaffen werden. Und auch in der Gesundheitsbildung der Bevölkerung gibt es Defizite. Fast 90 % der an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung bewerben Ungesundes. Das sollte verboten werden! Hier müsste die Regierung bessere Voraussetzungen schaffen und nicht nur auf die Freiwilligkeit von Lebensmittelherstellern vertrauen.

DJ: Wie können Betroffene ihr Verhalten umstellen?
Rubin:
Wichtig dabei ist zunächst, dass Essen schmecken muss. Was nicht schmeckt, wird auch nicht dauerhaft gegessen. Dabei sollten die Veränderungen möglichst den Mustern der Betroffenen entsprechen. Studien haben gezeigt, dass die mediterrane Ernährung eine sehr günstige Ernährungsform ist. Aber vielen Nordeuropäern schmeckt das nicht. Also könnte man gesundes Olivenöl gegen ebenfalls gesundes Rapsöl austauschen. Eine individuelle Ernährungsberatung hilft zusätzlich. Diese ist mittlerweile endlich eine Krankenkassenleistung und kann von Betroffenen in Anspruch genommen werden.

Grundsätzlich ist es nur wichtig, dass Menschen nur so viel Energie essen, wie ihr Körper tatsächlich verbraucht. Außerdem spielen genug Ballaststoffe eine wichtige Rolle. Im Vordergrund steht nicht das Verhältnis von Kohlenhydraten, Fett oder Eiweiß, welches häufig diskutiert wird: Viel sinnvoller ist es, auf die Qualität von Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß zu achten.

DJ: Viele Jahre wurde Low Fat von den Gesellschaften empfohlen – warum heute nicht mehr?
Rubin:
Low Fat ist nach wie vor eine von verschiedenen Möglichkeiten im Hinblick auf Essen bei Typ-2-Diabetes. Sie wäre eine gute Wahl für Menschen, die gerne Kohlenhydrate essen. Aber hier geht es weniger darum, ob es vorwiegend Kohlenhydrate und kaum Fett sein sollen. Vielmehr geht es auch hier um die Qualität der Nährstoffe.

DJ: Was sind denn nun gute Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße?
Rubin:
Günstige Kohlenhydrate sind alle Lebensmittel mit sogenannten komplexen und ballaststoffreichen Kohlenhydraten: Dazu gehören beispielsweise Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte und Gemüse. Ungünstig sind Lebensmittel mit schnell resorbierbaren Kohlenhydraten: Also alles mit einem hohen Zuckeranteil oder Weißmehlanteil.

Günstige Fette sind pflanzliche mit einem hohen Anteil an Ölen: zum Beispiel Pflanzenöle mit einem hohen, einfach ungesättigten Fettsäureanteil wie Oliven- oder Rapsöl. Sinnvoll sind auch Nüsse, Oliven und andere fetthaltige Pflanzen. Ungünstig sind Fette, die künstlich gehärtet wurden: Diese kommen besonders häufig in Gebäck oder frittierten Lebensmitteln vor. In puncto Eiweiß empfiehlt es sich, pflanzliche, eiweißhaltige Produkte wie Nüsse und Hülsenfrüchte, aber auch Fisch und fettarme Milchprodukte regelmäßig zu essen.

DJ: Liebe Frau Prof. Rubin, vielen Dank für das ­Gespräch.

Schwerpunkt „Facettenreich – Essen bei Diabetes“


von Dr. oec. troph. Astrid Tombek

Avatar von astrid-tombek

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (5) Seite 20-21

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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